"ReAwaken America": Trumpisten, Verschwörungen und Jesus

    "ReAwaken America Tour":Trumpisten, Verschwörungen und Jesus

    von Nicola Wenz
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    Die "ReAwaken America Tour" will die USA "aufwecken": Wie eine republikanisch-unterstützte Bewegung die Massen durch Religion auf ihrer Suche nach "Wahrheit" beeinflusst.

    Es ist 7 Uhr morgens an einem Freitag, und Menschenmassen strömen aus allen Ecken Amerikas mit "Trump Forever"-Hüten und "Jesus Is Our King"-Hemden in eine Sporthalle mitten in der Kleinstadt Manheim im US-Bundesstaat Pennsylvania.
    Rund 4.000 Menschen haben sich für die sogenannte "ReAwaken America Tour" angemeldet, mit der Amerika "aufgeweckt" werden soll. Organisiert wird die Veranstaltung von Clay Clark, einem amerikanischen Unternehmer, und Michael Flynn, einem ehemaligen US-Offizier und Sicherheitsberater des Ex-Präsidenten Donald Trump.

    Einteilen, "wer gut und wer teuflisch ist"

    Zusammen haben sie ein Imperium aufgebaut, das auf einer Ideologie basiert, die Religiöses mit republikanischer Doktrin mischt. Im Prinzip geht es dabei um eine Aufteilung der USA in richtig oder falsch und das religiös aufgeheizt: Es geht nicht um nur politische Ziele zum Wohle Amerikas, sondern vielmehr darum, "wer gut und wer teuflisch ist", sagt Organisator Clark.
    Die Idee des religiösen Wiedererweckens ist nichts Neues, denn schon der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan verstand es, die Macht der Religion zu nutzen, und beeinflusste seine Wähler mit der Mahnung, es sei Zeit, näher an Gott zu treten, sonst sei Amerika verloren.

    Pew Research Center: 64 Prozent der Amerikaner christlich geprägt

    Laut Daten des Pew Research Center fühlen sich 64 Prozent der US-Amerikaner dem christlichen Glauben zugehörig. Für sie ist nur Jesus relevant und die Bibel wird benutzt, um Rat für alltägliche Probleme zu finden. Sie singen moderne christliche Pop-Lieder und verbinden Bibelverse mit aktuellen Themen wie Corona, Krieg, Kriminalität und Arbeitslosigkeit.
    In Manheim schwirren die Menschen mit Kindern, Popcorn und frischem Kaffee von einem Stand zum nächsten. Man kann sich über Verschwörungstheorien zur Corona-Impfung informieren, Decken gegen radioaktive Wellen kaufen, Bücher über Flynns Erfolg als Offizier lesen und eine Reihe holzgeschnitzter Kreuze von Männern in Militär-Uniformen für die ganze Familie bestellen. Wenn man die Veranstaltungsteilnehmer auf die Mischung von Politik und Religion anspricht, stößt man nur auf Unverständnis.

    Beitritt zur "ReAwaken"-Bewegung per Taufe

    Christine Yarko ist als Katholikin aufgewachsen, hat aber ihren Glauben in die katholische Kirche durch die öffentlich gewordenen Missbrauchsskandale verloren. Vor sechs Monaten habe sie eine "neue Version von Gott" gefunden. Die 40-Jährige steht mit einem Handtuch als erste in der Schlange und wartet darauf, dass ein Priester sie in der Badewanne mitten in der Sporthalle offiziell als Christin neu tauft.

    Ich habe noch keine Kirche gefunden, die meinen Glauben teilt.

    Christine Yarko

    "Aber ich mag die Reden, die sie hier halten, und es wurde mir gesagt, dass es die Gelegenheit für mich sein wird, mit dem heiligen Geist getauft zu werden", erzählt Yarko. "Das ist doch etwas ganz Besonderes und ich hoffe, ich fühle ich mich danach anders."
    Mit der Taufe tritt Yarko keiner Kirche, sondern der "ReAwaken"-Bewegung bei - und damit auch der politischen Bewegung, die den Republikanern nahesteht. Ganz im Sinne der Organisatoren.

    Trump-Sohn verbreitet auf der Bühne widerlegte Wahlbetrugs-Behauptung

    Dann der Höhepunkt der Veranstaltung: Donald Trumps Sohn Eric tritt auf die Bühne und hält seine Rede - "Warum wir Amerika nicht fallen lassen dürfen." Die Menschen jubeln ihm zu. "Pennsylvania hat die besten Menschen der Welt", fängt er an.

    Glaubt hier eigentlich irgendeiner, dass wir Pennsylvania nicht gewonnen haben? Die ganze Wahl, es war alles Betrug. Ich werde es nie vergessen.

    Eric Trump, Sohn von Ex-US-Präsident Donald Trump

    Eric Trump gelingt es, einen Mischmasch aus der Geschichte von Wahlbetrug und den Anhörungen zum Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 mit der aufgeheizten religiösen Stimmung zu verbinden. Als Unterstützung ruft er seinen Vater Donald Trump vor dem Publikum mit dem Handy an.
    Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Auslandstudios Washington
    Vor den Midterms seien die USA "tief gespalten" und "da ist ein Hass vorhanden", der von Kandidaten der republikanischen Partei bereitet worden sei und "fruchtbaren Boden für Gewalt" biete, so der Leiter des ZDF-Studios Washington, Elmar Theveßen.01.11.2022 | 5:17 min

    Trump Junior: In den USA "findet ein echter Krieg statt"

    "In diesem Land findet ein echter Krieg statt", behauptet Trump Junior weiter. "Das Christentum wird angegriffen, die Religion wird angegriffen, die Bildung wird angegriffen, unsere Kinder werden angegriffen." Und weiter:

    Wir müssen dieses Land zurückerobern. Es ist verrückt zu sehen, was da draußen gerade passiert. Das ist nicht amerikanisch.

    Eric Trump, Sohn von Ex-US-Präsident Donald Trump

    Das Publikum jubelt: "Trump! Trump! Trump!" Der Jubel ist energisch und gleichzeitig voller Wut.

    Politik wird bewusst mit Religion vermischt

    Michael Flynn wartet hinter der Bühne auf seinen Auftritt. Er schaut zu, wie die Menschen bisher reagierten und wie sie jetzt immer hungriger auf seine Interpretation der "Wahrheit" werden. Man erkennt auch seine Skepsis ausländischen Medien gegenüber, wenn man versucht, ihn zu interviewen.
    Auf die Frage, warum die Veranstaltung bewusst Politik mit Religion vermischt, antwortet er:

    Unser Land wurde mit jüdisch-christlichen Prinzipien und Werten aufgebaut. Selbst unsere Verfassung ist in der Bibel verankert.

    Michael Flynn, ehemaliger Sicherheitsberater von Ex-Präsident Trump

    Flynn: Zukunft Amerikas liegt in Händen der Republikaner

    In seiner Rede auf der Bühne erinnert Flynn das Publikum, dass die Zukunft Amerikas in den Händen der Republikaner liege. "Das Schicksal dieses Landes wird sich in den nächsten Tagen zeigen", so Flynn. "Ihr entscheidet, was ihr kontrollieren könnt, und es gibt Dinge, die ihr nicht kontrollieren könnt. Es gibt Dinge, die nur unter Gottes Kontrolle stehen."
    Die Kraft, mit der Religion in den USA bis in die Poren der Politik eindringt, ist beeindruckend. Die Veranstalter schaffen es, die Ängsten der Menschen mit religiös getränkter Hoffnung aufzufangen - daraus speist sich ein großer Teil ihres Erfolges.
    Nicola Wenz berichtet aus dem ZDF-Studio in Washington.

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