Heute wird in Venezuela gewählt: Die Regierung ruft zu Parlamentswahlen auf, die Opposition zu einer Volksbefragung. Sicher ist: Die Probleme bleiben.
Um die ganze Dramatik der Situation zu erfassen, genügt ein Blick auf eine jüngste Aussage des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten. Die venezolanische Flüchtlingskrise sei die größte in der jüngeren Geschichte in Lateinamerika, heißt es in einem Bericht, aus dem das regierungskritische Portal "Tal Cual" zitiert.
Es fehlt in Venezuela an fast allem
Und die ohnehin schon katastrophale Versorgungslage in dem südamerikanischen Land hat sich noch einmal verschärft. Die NGO "OVCS" zählte allein im Oktober 1.484 Proteste, die sich gegen Trinkwasserknappheit, Benzinmangel und fehlende Stromversorgung richteten.
Opposition boykottiert Wahl und macht Gegenwahl
Ob das alles Einfluss nimmt auf die Parlamentswahlen am Sonntag, ist fraglich. Denn der Urnengang ist hoch umstritten, fast die gesamte Opposition blockiert die Wahlen für die Nationalversammlung, weil sie der Regierung fehlende Transparenz vorwirft.
Das Angebot der Europäischen Union, Wahlbeobachter nach Venezuela zu schicken, lehnte das venezolanische Außenministerium im Oktober ab. Und so ruft die Opposition um den jungen Parlamentspräsidenten Juan Guaido zu einer Gegenwahl auf - einer Volksbefragung. Mit der will Guaido die Zustimmung für eine freie, gerechte und transparente Präsidentenwahl erzielen.
Maduro ignorierte Wählerwillen von 2015
Die Parlamentswahlen sollen nach dem Willen der Regierung dagegen eine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung sicherstellen. Vor fünf Jahren - bei der letzten Wahl - kassierten die regierenden Sozialisten um Präsident Nicolas Maduro eine krachende Wahlniederlage. Die Venezolaner hatten genug von der Mangelwirtschaft und der Gewalt gegen die überwiegend friedlichen Demonstrationen.
Doch Maduro ignorierte den Wählerwillen, regierte mit Sonderdekreten am Parlament vorbei und ersetzte es später mit einer verfassungsgebenden Versammlung, in der ausschließlich seine eigenen Anhänger saßen. Das Wahlergebnis von 2015 war ad absurdum geführt.
Massenflucht aus dem Land
Für viele Menschen in Venezuela war das ein Staatsstreich gegen den Wählerwillen und der Startschuss für einen Massenexodus aus dem Land. Rund fünf Millionen Menschen haben das Land in den letzten Jahren verlassen. Durch den Boykott der Opposition kämpfen die verbliebenen Sozialisten und ein kleiner Teil der Opposition um die Sitze im Parlament.
Ein Land versinkt im Chaos.
Bedenken gegen Wahlen im Volk groß
Auf der Straße sind die Bedenken enorm, wie eine Nachfrage vor Ort von ZDFheute ergab.
"Wir hatten ja ein vom Volk gewähltes Parlament", sagt Wähler Gabriel Soto (39) über die "Consulta Popular".
Auch das Vertrauen in die von der Regierung vorangetriebenen Parlamentswahlen sind gering:
Zweifel an Objektivität der Wahlbeobachter
Zwar gibt es bei den Parlamentswahlen Wahlbeobachter aus anderen Ländern, doch die sind fast ausschließlich mit der venezolanischen Regierung verbündet. Chile erklärte bereits, das Ergebnis der Parlamentswahlen nicht anerkennen zu wollen.
Die politische Krise wird also bleiben. Und mit ihr auch die anhaltende Flucht aus Venezuela.
Mitarbeit: Maria Ramirez, Venezuela