Lehrerverbände schlagen Alarm - wegen zunehmender Drohungen und Gewalt gegen Lehrkräfte. Von bestimmten Gruppen werde zudem die "Erziehung zu demokratischen Werten angefeindet".
Sind es Einzelfälle, in denen Lehrerinnen und Lehrer beschimpft oder gar bedroht werden, wenn sie in ihren Klassen Themen wie den Holocaust oder den Nahost-Konflikt behandeln?
Kernauftrag der Schule gefährdet
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), will diese Frage beantwortet wissen. Denn gehäuft erhält er Briefe und Mails von Lehrkräften mit Berichten über "massive Einschüchterungsversuche" und "unflätigste Beschimpfungen".
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"Gefahr, dass Unterricht zur Mutprobe wird"
Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger spricht im Interview über versuchte Einflussnahme von Islamisten an deutschen Schulen – und was die Politik dagegen tun muss.
"Auch vor Drohungen wird an bestimmten Brennpunktschulen nicht mehr zurückgeschreckt", sagt Meidinger im ZDFheute-Interview. Insbesondere durch Fälle, in denen "die Erziehung zu demokratischen Werten angefeindet" würden, sieht Meidinger einen Kernauftrag der Schule gefährdet. Damit steht er nicht allein.
Lehrer mit Angst vor Schülern
Die SPD-Politikerin Lale Akgün etwa berichtete vor kurzem von etwa 50 Zuschriften von Lehrerinnen und Lehrern, die Angst hätten "vor Klassen mit bestimmten Jugendlichen". Akgün schreibt in einer öffentlichen Nachricht, es gehe um "Jugendliche, die mit verbaler Gewalt Meinungsvielfalt im Klassenzimmer unterdrücken wollen, die den Lehrern und Lehrerinnen offen oder verdeckt drohen und ihre Weltanschauung unwidersprochen im Klassenverband durchsetzen wollen."
Druck von unten, Druck von oben
Bestimmte Jugendliche versuchten vehement, religiöse Ansichten über demokratische Grundrechte zu stellen. Akgün beklagt, "dass die Schule ihre Aufgabe, Kinder und Jugendliche zu selbständig denkenden Menschen zu erziehen, nicht mehr wahrnehmen kann".
Lehrer sieht sie in einer "Sandwichposition": Von unten durch bestimmte Schüler eingeschüchtert, von oben durch Schulleitungen "beschwichtigend zum Stillhalten gebeten". Der Tenor: Man wolle doch nicht etwa die Schule in ein schlechtes Licht rücken - oder als Rassist dastehen?
Lehrerverband fordert Politik zur Unterstützung auf
Lehrerverbandspräsident Meidinger verwundern solche Berichte nicht. Er spricht von vielen Fällen, in denen Lehrkräfte die fehlende Rückendeckung von Schulleitungen beklagten.
Er fordert von den Bundesländern eine groß angelegte Umfrage unter Lehrkräften, um die Dimension der Einschüchterung und Bedrohung von Lehrkräften gründlich erfassen zu können.
Zunehmende Gewalt gegen Lehrkräfte
Dass es an deutschen Schulen ein zunehmendes Problem durch psychische und physische Gewalt gegen Lehrkräfte gibt, zeigt auch eine vor kurzem veröffentlichte repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Einige Ergebnisse:
- 61 Prozent der Schulleitungen gaben an, dass es in den vergangenen fünf Jahren Fälle gab, in denen Lehrer direkt beschimpft, bedroht oder belästigt worden seien.
- 32 Prozent der Schulleitungen berichteten, dass Lehrer im Internet diffamiert, bedroht oder genötigt worden seien.
- 34 Prozent der Schulleitungen gaben an, dass Lehrkräfte körperlich angegriffen worden seien.
"Spiegelbild der Gesellschaft"
Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann spricht von Schulen als "Spiegelbild der Gesellschaft". Die Fälle von Gewalt ließen sich nicht monokausal auf eine Gruppe oder bestimmte Konflikte zurückführen. Vielmehr zeige sich eine "Vielschichtigkeit von Problemlagen".
Um das Gewaltproblem an Schulen in den Griff zu bekommen, spricht sich Beckmann für kleinere Lerngruppen aus. Zudem sollten Lehrer künftig stärker in "multiprofessionellen Teams" mit Schulpsychologen, Sozial- und Sonderpädagogen zusammenarbeiten können.