Es sind besondere Tage, solche Wahl- und Vereidigungstage im Bundestag. Es gibt einen neuen Kanzler, eine neue Regierung. Es gibt Glückliche und Traurige. Und jede Menge Fotos.
Es ist das erste Mal, da kann noch nicht alles sitzen. Kurz vor 11 Uhr ist es, Olaf Scholz ist im Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt worden und muss vor der Vereidigung die Ernennungsurkunde abholen. Die bekommt er im Saal von Bellevue, mit Regieanweisung des Bundespräsidenten: "So, jetzt halten wir die aufgeklappt noch mal in die Kamera …"
So, aufklappen, lächeln, erledigt, zurück in den Bundestag.
Fotos, aber bitte diskret
Solche Wahl- und Vereidigungstage im Bundestag sind besondere Tage. Die Abgeordneten sind mal das, womit sie sich mehr oder weniger süß-sauer ansprechen: Kolleginnen und Kollegen. Der politische Streit steht für Stunden nicht im Vordergrund. Es geht um eine neue Regierung, einen neuen Kanzler, der Übergang von der alten endet endgültig. Ab morgen spätestens muss die neue Ampel-Koalition arbeiten, heute dürfen alle noch mal feiern.
So beginnt dieser Wahltag fröhlich und mit einer Erlaubnis. An diesem Mittwoch dürfen die Abgeordneten das, was sonst während einer Plenarsitzung strengstens verboten ist: Fotos machen. "Aber bitte diskret", mahnt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Sie kapituliert vor den möglichen 707 Ordnungsrufen an die anwesenden 707 Abgeordnete. Denn Fotos machen die schon die ganze Zeit.
Viel Nettes für Laschet
Mit Olaf Scholz, mit den künftigen Ministerinnern und Ministern, untereinander, miteinander, eigentlich ständig. Ein historischer Tag eben. Man scherzt, man lacht, man schwätzt, man zieht die ein oder andere Strippe für später. Man hält sich irgendwann auch nicht mehr an die Corona-Regeln: Schüttelt Hände, umarmt, pfeifft auf den Abstand.
Viel Zuneigung bekommt Armin Laschet, der für die Union so gern heute an Scholz‘ Stelle gewesen wäre. Die neue Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann spricht lange mit ihm, andere auch. Für einige in der Union ist es einsamer.
Jens Spahn, der nun nicht mehr Gesundheitsminister ist, sitzt in der viertletzten Reihe im Plenarsaal, die Hände vor dem Körper verschränkt. Der Absturz vom Pandemie-Liebling zum angeblich allein Verantwortlichen tut offensichtlich weh.
Merkel hat jetzt Zeit
Scholz‘ Vorgängerin ist da gelassener. Angela Merkel nimmt auf der Besuchertribüne Platz. Wie auch fünf der künftigen Ministerinnen und Minister, die kein Mandat für den Bundestag haben. Dort oben folgen sie der Wahl von Scholz. Alle Abgeordneten werden einzeln namentlich aufgerufen, das dauert und ist nicht besonders aufregend.
- Von Adenauer bis Merkel: Kanzler seit 1949
Es ist das wichtigste politische Amt im Land: Der Posten des Bundeskanzlers. Acht Kanzler und eine Kanzlerin gab es bislang. Ein Überblick in Bildern.
Merkel unterhält sich nach rechts (Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert) und links (Ex-Bundespräsident Joachim Gauck) und nach hinten. Und bekommt Besuch: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kommt nach oben, und scheint sich minutenlang für die gemeinsame Zeit zu bedanken. Merkel sagt jedenfalls lange nichts, bedankt sich Corona-gerecht mit Verbeugung. Die nächste Geste sieht aus: "Sehen wir uns nachher noch?", Mützenich nickt.
Auch Robert Habeck kommt. Auf der anderen Tribüne sitzt Scholz‘ Familie. Seine Frau, die brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst. Seine Eltern, seine Schwiegereltern, seine Brüder. Auch Gerhard Schröder mit seiner Frau. Er war der letzte SPD-Bundeskanzler. Scholz ist nun der vierte, obwohl sein Ja zu diesem Amt nicht sehr öffentlich ist.
- An welche Baustellen die Ampel ran muss
Nach der Vereidigung von Olaf Scholz als Bundeskanzler und seinem Ministerteam geht es an die Arbeit. Fünf Baustellen gibt es mindestens.
Ermahnt, vereidigt, kann los gehen
Als er sein Wahlergebnis bekommt und die Wahl annehmen soll, macht er das ohne das Mikrofon und den Satz "Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl an." Dieser Satz wird in den Geschichtsbüchern also fehlen. Scholz verzichtet bei der Vereidigung auch auf den Zusatz "So wahr mir Gott helfe". Das hatte Schröder auch schon getan, Merkel dagegen nicht.
Sieben seiner Ministerinnen und Minister tun das auch, als sie später im Bundestag vereidigt werden. Es ist der letzte offizielle Programmpunkt an diesem Tag. Schon da fühlt es sich langsam wieder wie Arbeit an. Beim Austeilen der Ernennungsurkunde hatte zuvor Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Kabinett ermahnt, vor allem bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie das "gute Argument" nicht zu vergessen:
Die Pandemie dürfe das Land "nicht dauerhaft" auseinandertreiben, so Steinmeier.
Einer hat sich um seine neue Aufgabe an diesem Tag schon gekümmert. Der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach twittert noch auf dem Weg zwischen Bundestag und Bellevue zur Omikron-Mutante:
Alle Ministerinnen und Minister werden, bis auf Scholz, noch am Mittwoch die Amtsgeschäfte in den Ministerien übernehmen. Doch nicht alles ist ungewohnt und neu: Karl Lauterbach geht am Donnerstag in eine Talkshow, zu "Maybrit Illner" im ZDF.
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