Die Zahl der gewaltorientierten Rechts- und Linksextremisten ist gewachsen, zeigt der Verfassungsschutzbericht. Was verwundert: Zu den "Querdenkern" gibt es noch keine Zahlen.
Der Verfassungsschutzbericht für 2021 zeigt: Der rechte und der linke Rand sind weiter gewachsen, auch die Zahl der Gewaltorientierten ist jeweils gestiegen. Die Corona-Proteste polarisierten zudem auf der Straße und im Netz, wobei Zahlen für extremistische "Querdenker" fehlen.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am Dienstag bei der Vorstellung:
Zahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten steigt weiter
Erneut ist die Zahl der Rechtsextremisten angewachsen, darunter 13.500, die der Inlandsgeheimdienst als gewaltorientiert einstuft.
Die Flutkatastrophe im Ahrtal im vergangenen Sommer zeigte dabei exemplarisch, wie Rechtsextremisten versuchen, politisch anschlussfähig zu werden. Damals reisten sie in die Überschwemmungsgebiete und boten Hilfe an, verbunden mit dem Narrativ: "Der Staat versagt, aber wir sind da". So war unter den zugereisten Fluthelfern in Ahrweiler auch ein Mann mit SS-Totenschädel-Tattoo und dem Liedtext einer Neonazi-Band auf dem Arm.
Eine gefährliche Melange zeigte sich auch bei der geplanten Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Rechtsextremisten und Reichsbürger vernetzten sich dafür in der Chatgruppe "Vereinte Patrioten" auf Telegram und planten, Waffen zu kaufen. Die Behörden zerschlugen die Gruppe im April.
Mehr antisemitische Straftaten im Bereich Rechtsextremismus
Bezogen auf rechtsextremistische Straftaten mit antisemitischer Motivation zeigt der Verfassungsschutzbericht: Diese haben im vergangenen Jahr deutlich zugenommen, um 12,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte ZDFheute dazu:
AfD taucht als Gesamtpartei nicht auf
Die AfD wiederum taucht als Ganzes im Bericht nicht auf, denn laut einem Gerichtsbeschluss durfte der Verfassungsschutz die Partei im vergangenen Jahr nicht als Verdachtsfall bearbeiten. Im März dieses Jahr verlor die AfD allerdings vor Gericht gegen den Geheimdienst - sie hat dagegen nun Berufung eingelegt.
Zum offiziell aufgelösten "Flügel" der Partei - den Rechtsaußen in der AfD - heißt es im Bericht lapidar, dass man von "Fortsetzungsaktivitäten" ausgeht. Die Parteijugend wird zudem weiterhin als Verdachtsfall aufgeführt.
"Der Rechtsextremismus ist weiterhin die größte Gefahr für die Innere Sicherheit." Das sagt der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, im ZDF.
Linksextremisten: Gewaltorientierte Teile nehmen zu
Nicht nur Rechtsextremisten erfahren Zulauf - laut Verfassungsschutz ist auch die Zahl an Linksextremisten im Jahr 2021 weiter gestiegen. Besonders stark hat die Zahl der gewaltorientierten zugenommen: von 9.600 auf 10.300.
Ein paar Beispiele: In Erfurt hatten mutmaßlich Linksextreme einen Neonazi mit Chlor übergossen und ihm ein Bein gebrochen. Bei einem weiteren Angriff soll ein NPD-Funktionär schwer verletzt worden sein. Bei der Räumung von Szene-Objekten wie der Rigaer Straße oder dem "Köpi"-Wagenplatz im vergangenen Jahr wurden zahlreiche Polizistinnen und Polizisten verletzt.
Islamisten: Zahl ist leicht rückläufig
Leicht zurückgegangen ist dagegen die Zahl an Islamisten. Doch auch, wenn das Phänomen im vergangenen Jahr weniger sichtbar gewesen sei, bestehe weiterhin eine Gefährdung, so der Verfassungsschutz.
So wurde etwa eine Messerattacke eines Mannes in einem Zug in Bayern zunächst als Tat eines psychisch Kranken eingestuft - und später erst als islamistischer Terror.
Zahlen zu "Querdenkern" fehlen noch
Was im Bericht fehlt, sind Zahlen zum extremistischen Milieu der Corona-Protestler. Für diese Teile der "Querdenker" und Verschwörungserzähler hatte der Dienst Ende April ein eigenes Sammelbeobachtungsobjekt mit dem sperrigen Namen "verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" eingerichtet.
Dass Zahlen zu "Querdenkern" fehlen, ist einigermaßen verwunderlich. Der mutmaßliche Masken-Mord von Idar-Oberstein, bei dem ein Mann einen Tankstellenwart erschoss, zeigt, dass das Gefährdungspotenzial vorhanden ist. Gleichzeitig ist die Gruppierung sehr heterogen und deshalb teils schwer definierbar, was ein Grund für fehlende Zahlen sein könnte.