Wie ist Frieden in der Ukraine möglich? Präsident Putin stellt Forderungen, Präsident Selenskyj ist wohl zu Zugeständnissen bereit - die Verhandlungspositionen im Überblick.
Die Unterhändler bereiten wohl das Treffen von Außenminister Dmytro Kuleba und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow vor. Sie wollen sich am Donnerstag in der Türkei treffen. Es wären die ersten Verhandlungen von Chefdiplomaten seit der Invasion Russlands in die Ukraine vor zwei Wochen.
Der ukrainische Präsident Wolodomir Selenskyj hat in einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC nun erste mögliche Zugeständnisse angedeutet.
Das bietet Präsident Selenskyj an
- Verzicht auf Nato-Mitgliedschaft: Ein Nato-Beitritt ist seit 2019 in der Verfassung der Ukraine festgelegt, Präsident Selenskyj zeigt sich nun bereit, dieses Ziel aufzugeben. Er habe seine Haltung zu dieser Frage "schon vor einiger Zeit abgemildert", da die Nato offenbar nicht bereit sei, "die Ukraine zu akzeptieren", sagte Selenskyj.
- Unabhängigkeit des Donbass: Selenskyj zeigte sich offen, die Unabhängigkeit der selbst ernannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine anzuerkennen.
- Krim offiziell Russland zuschreiben: Russland hatte die Halbinsel 2014 völkerrechtswidrig annektiert. Selenskyj zeigt sich bereit, einen Kompromiss zu finden. Wichtig sei dabei, wie die Menschen in diesen Gebieten leben werden, die Teil der Ukraine sein wollen, betonte Selenskyj.
- Neutralität der Ukraine: Der außenpolitische Berater von Selenskyj, Ihor Tschowka, zeigte sich am Dienstag bereit, über eine Neutralität des Landes zu sprechen, wenn Kriegshandlungen aufgehört haben, sagte er in den ARD- "Tagesthemen".
Eindordnungen zu den Verhandlungen von ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf in Chmelnyzkyj, Ukraine.
Allerdings machte Präsident Selenskyj in dem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC auch deutlich:
Selenskyjs Partei Sluha Narodu - übersetzt "Diener des Volkes" - stellt auch Bedingungen für die genannten Zugeständnisse.
Das fordert Präsident Selenskyj
- Sicherheitsgarantien des Westens: Die Ukraine sei nur bereit, auf die Nato-Mitgliedschaft zu verzichten, wenn es Sicherheitsgarantien des Westens gebe. "Garantiestaaten könnten die USA, die Türkei und die Nachbarstaaten der Ukraine werden."
- Souveränität der Ukraine: Auch Russland müsse Sicherheitsgarantien abgeben. Der Kreml müsse zweifelsfrei bestätigen, dass er die ukrainische Staatlichkeit anerkenne "und garantieren, dass es unseren Staat nicht bedrohen wird."
ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf weist darauf hin: "Hier werden nicht Putins Maximalforderungen erfüllt." Auch Russlands Präsident Wladimir Putin werde für einen Kompromiss Zugeständnisse machen müssen.
Das fordert Russlands Präsident Putin
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters nannte Kreml-Sprecher Dimitry Peskov am Montag konkrete Kernforderungen. Es war die bisher deutlichste Erklärung Russlands zu den Bedingungen, um seine "spezielle Militäroperation" zu beenden, wie der Ukraine-Krieg in Russland heißt.
[Wie tickt Präsident Putin wirklich? Die CIA hat versucht, ein Profil zu erstellen]
- Neutralität und Verzicht auf Nato-Beitritt: Die Ukraine soll die Verfassung ändern, also den angestrebten Nato-Beitritt streichen und sich zur Neutralität verpflichten.
- Anerkennung der Krim und der Separatisten-Gebiete durch die Ukraine: Wenige Tage vor der Invasion in die Ukraine hatte Putin die beiden Regionen Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige "Volksrepubliken" anerkannt. Das fordert er nun auch von der Ukraine - gemeinsam mit einer Anerkennung der Krim als russisches Territorium.
- Kapitulation der Ukraine: "Die Hauptsache ist, dass die Ukraine ihre Militäraktionen einstellt," sagte Peskov in dem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Peskow sagte, Russland habe der Ukraine diese Bedingungen vorgelegt. "Und es wurde ihr gesagt, dass all das sofort gestoppt werden kann."
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Diese Gründe nennt Putin für Angriff der Ukraine
Expertinnen und Experten gehen allerdings davon aus, dass Russland weitaus mehr Ziele verfolgt. Die Außenpolitik- und Militärexpertin Claudia Major hat Putins Ziele bei Markus Lanz zusammengefasst.
- Systemwechsel: "Die gewählte demokratische Regierung Selenksyj wird verjagt und es kommt entweder eine Marionettenregierung, die russlandfreundlich ist, oder eine Militärregierung."
- Elitenwechsel: Damit sei die von Russland behauptete "Entnazifizierung" der Ukraine gemeint. Ein Euphemismus für "Wegschicken und Auslöschen der gesamten alten Elite, also auch der demokratischen Elite."
- Entmilitarisierung: "Heißt de facto einen Abbau oder ein Zerstören der Infrastruktur, sodass die Ukraine langfristig auch ein militärisch neutraler Staat ist."
Sehen Sie die Einschätzung der Politikwissenschaftlerin Claudia Major im Video.
Das Fazit der Wissenschaftlerin: Wenn man diese Ziele betrachte, sei das übergeordnete Ziel dahinter, einen Vasallenstaat zu errichten. "Das heißt, man soll sich keinen Illusionen hingeben, dass eine Ukraine oder eine russisch kontrollierte Ukraine irgendwie ein freier Staat wäre."
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