Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppeln, mehr Züge, mehr Busse, mehr Personal: Maike Schaefer, Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, hat große Pläne für den ÖPNV in Deutschland.
Wie kann man ÖPNV attraktiver machen, das Streckennetz ausbauen und einen besseren Anschluss auf dem Land schaffen? Die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz zur Verkehrswende.
ZDFheute: Das 9-Euro-Ticket kommt gut an. Wo liegen die Chancen, wo die Probleme?
Maike Schaefer: Die Chancen liegen beim 9-Euro-Ticket sicherlich darin, dass viele Menschen jetzt den SPNV (Schienenpersonennahverkehr) und den ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) für sich entdecken, die ihn vielleicht sonst gar nicht genutzt haben. Da spielt der Preis eine Rolle. Das ist ein tolles Lockangebot, einen Monat lang für jeweils neun Euro zu fahren, Strecken ausprobieren, zur Arbeit pendeln zu können.
Das ist eine Chance, dass viele Menschen das jetzt gerade nutzen. Probleme sind sicherlich: Wenn die drei Monate rum sind und die Preise wieder hochgehen und dann eben auch ÖPNV und SPNV nicht auskömmlich finanziert sind - gerade um irgendwie neue Strecken zu erschließen.
Die Reisewelle zu Pfingsten und das 9-Euro-Ticket haben zu teils überfüllten Regionalzügen und Verspätungen geführt. Die ZDF-Reporterinnen Inken Klinge und Luisa Houben berichten über die Lage in Magdeburg und Frankfurt am Main.
ZDFheute: Welche Ziele haben Sie beim öffentlichen Nahverkehr und bei der Bahn?
Schaefer: Beim öffentlichen Nahverkehr ist ein ganz großes Ziel - das steht auch im Koalitionsvertrag - dass die Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppelt werden. Aber das reicht nicht als Ziel, da muss man was für machen.
Aber wenn viele Leute ihr Auto zu Hause stehen lassen oder abschaffen, weil sie sehen: Es ist ein attraktiver ÖPNV, mit dem ich zum Beispiel gut zur Arbeit komme, dann sind wir einen ganzen Schritt in Richtung Klimaschutz weitergekommen.
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ZDFheute: Die ÖPNV-Reform: Wo sind die Länder in der Pflicht?
Schaefer: Klar ist: Die Kommunen und die ÖPNV-Verkehrsunternehmen können das nicht alles finanziell alleine wuppen. Da braucht es den Bund, aber auch die Finanzierung aus den Ländern.
Die ÖPNV- und SPNV-Unternehmen haben ja aufgrund der Pandemie erstmal unter den Fahrgasteinbrüchen zu leiden gehabt, auch finanziell. Deswegen gibt es den ÖPNV-Rettungsschirm, da haben die Länder 50 Prozent dazu gegeben, der Bund die anderen 50 Prozent. Wenn wir jetzt sehen, dass Tarife doch eine Rolle spielen für die Menschen, dann heißt das, dass wir Tarife eigentlich reduzieren müssen, nicht erhöhen. Und das müssen der Bund und die Länder dann auch gegenfinanzieren.
ZDFheute: Was fordern Sie von Bundesverkehrsminister Wissing?
Schaefer: Wenn wir schon den ÖPNV und den SPNV weiter attraktiv machen wollen, erwarte ich vom Bundesverkehrsminister und der Bundesregierung, dass in diesem Jahr auch die Regionalisierungsmittel (Gelder, die der Bund den Bundesländern jährlich zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs zur Verfügung stellt, Anm. d. Redaktion) erhöht werden.
- Minister Wissing: Bahn muss besser werden
"So kann es nicht bleiben": Minister Wissing sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Bahn - auch beim Thema Pünktlichkeit. Die Streckensanierung dürfe nicht den Betrieb belasten.
Dass sie ausgezahlt werden, damit wir im Sinne der Verkehrswende auch Strecken weiter ausbauen können, damit wir mehr Fahrzeugmaterial besorgen können, mehr Züge, mehr Busse - aber natürlich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
ZDFheute: Reicht das Konzept von Bundesverkehrsminister Wissing aus oder braucht es mehr?
Schaefer: Das Konzept zur Bahn sieht den Streckenausbau, aber auch eine Verlässlichkeit und eine höhere Taktung vor. Das begrüße ich alles. Aber sowas braucht auch immer eine Finanzierung. Und es braucht auch eine Planungsbeschleunigung. Planungen in Deutschland brauchen lange, siehe Planfeststellungsverfahren. Da sind wir uns als Länderminister alle einig, das muss schneller gehen. Aber es braucht eben auch eine auskömmliche Finanzierung.
ZDFheute: Wie sieht es aus mit dem ländlichen Raum?
Schaefer: Der ländliche Raum ist von Bus und Bahn meistens abgehängt.
Muss es immer ein großer Bus sein? Kann man nicht einfach nur einen Kleinbus nehmen, weil ihn gar nicht so viele Menschen nutzen? Wir brauchen andere Konzepte, denn so werden die Menschen weiter im ländlichen Raum ihre Autos benutzen. Das kann nicht im Sinne des Klimaschutzes sein. Also: Der ländliche Raum muss besser erschlossen werden.
Wie Grüne und FDP ums Auto streiten
ZDFheute: Das 9-Euro-Ticket läuft Ende August aus, wie soll es danach weitergehen?
Schaefer: Wenn wir nicht die Regionalisierungsmittel bekommen vom Bund, dann haben wir ein Problem. Dann müssen wir entweder die gleichen Tarife bestenfalls wieder einführen. Oder in einigen Ländern sogar noch erhöhen, weil die Energiekosten gestiegen sind, weil die Personalkosten gestiegen sind. Das kann es nicht sein. Deswegen erwarten wir, dass es diese Regionalisierungsmittel gibt.
ZDFheute: Wie sieht die Finanzierung Ihrer Meinung nach aus?
Schaefer: Es braucht keinen kostenlosen ÖPNV, aber einen vergünstigten ÖPNV. Es darf auch nicht zu einer sozialen Frage werden, ob ich mir das Fahren mit Bus und Bahn erlauben kann, es muss finanzierbar für alle sein.
Also: Wie kann man es finanzieren? Natürlich spielen Steuergelder eine große Rolle, Finanzierungen vom Bund. Aber man kann sich auch Zusatzeinnahmen überlegen. Zum Beispiel, indem man Parkgebühren heranzieht zur Finanzierung von Bus und Bahn.
ZDFheute: Der Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen in Japan macht es vor: superpünktlich. Wann bekommen wir das hin?
Schaefer: Da braucht man gar nicht nach Japan zu gucken, es wird ja auch oft von der Schweiz berichtet. Man wird Strecken ausbauen müssen. Solange die Güterzüge und die Personenzüge als Konkurrenten auf der Schiene sind, wird es nicht diese Pünktlichkeit geben. Wir brauchen mehr Züge, wir brauchen aber auch vor allem mehr Personal, dann wird es auch zu einer höheren Pünktlichkeit kommen.
Das Interview führte Sabine Komm aus dem ZDF-Landesstudio Bremen.