Ostukraine: Eroberung der Stadt Bachmut ändert Lage nicht

    Frontlinie der Ukraine:Bachmut: Eroberung ändert Lage nicht

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Die Stadt Bachmut im Osten der Ukraine steht kurz vor der Einnahme durch russische Truppen. Doch auch wenn sie fällt, wird die ukrainische Frontlinie nicht zusammenbrechen.

    Alle Versorgungslinien, die in die ostukrainische Stadt Bachmut führen, sind abgeschnitten oder befinden sich bereits in Reichweite der russischen Kurzstrecken-Artillerie und Panzerabwehrraketen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte am 8. März, dass Bachmut in wenigen Tagen fallen könnte.

    Fall von Bachmut verändert strategische Lage nicht

    Sollte Bachmut von den russischen Truppen eingenommen werden, ist eines wichtig zu verstehen: Das würde weder die strategische Lage ändern noch zum Zusammenbruch der ukrainischen Front führen. Die Befestigungen westlich von Bachmut, einschließlich der Städte Konstantiniwka, Kramatorsk und Slawjansk, würden einem russischen Vormarsch noch mindestens mehrere Monate lang standhalten. Kramatorsk ist dreimal so groß wie Bachmut und war bisher das Hauptquartier der ukrainischen Streitkräfte im Donbass.
    "Ein ziemliches Blutbad, das sich dort abspielt", so ZDF-Reporter Henner Hebestreit über Bachmut:

    Schwierige Entscheidungen für Kiew

    Ende letzter Woche gab es Nachrichten über einen Konflikt innerhalb der ukrainischen Führung: Einige wollten die Verteidigung von Bachmut aufgeben, während der Präsident Wolodymyr Selenskyj dafür plädierte, die Stadt noch eine Weile zu halten. Am 6. März beschloss die ukrainische Führung, sich nicht aus der Stadt zurückzuziehen, sondern weitere Verstärkung zu entsenden.
    Ein ukrainischer Spezialkommandeur in Bachmut berichtet:
    Natürlich wäre es für die Ukraine theoretisch viel vorteilhafter, den russischen Vormarsch in Bachmut zu stoppen, als das gleiche Maß an Zerstörung auch in Konstantiniwka oder anderen Städten zuzulassen.

    Verlustverhältnis spricht für Ukraine

    In der Praxis stellt sich jedoch die Frage, wie lange es noch möglich ist, Bachmut zu verteidigen. Der östliche Teil der Stadt, östlich des Flusses Bachmutka, ist bereits weitgehend unter russischer Kontrolle und die russischen Truppen nähern sich in einer Zangenbewegung sowohl von Norden als auch von Süden.
    Die ukrainischen Verteidiger kämpfen erbittert und fügen den Angreifern extreme Verluste zu. Nach ukrainischen Schätzungen beträgt das Verlustverhältnis 1:7 in Bezug auf getötete ukrainische und russische Soldaten. Westliche Schätzungen sind konservativer und liegen bei 1:4 bis 1:5, was aber immer noch sehr hoch ist.

    Durchhalten der ukrainischen Verteidigung ist fraglich

    Theoretisch ist das lange Halten von Bachmut daher ein Weg, um die dort verbleibenden russischen Berufskräfte ausbluten zu lassen. Dazu gehören auch die Einheiten der Wagner-Gruppe: Nachdem die rekrutierten Gefängnisinsassen größtenteils getötet oder verwundet wurden (von den etwa 40.000 rekrutierten Gefangenen sind mindestens 30.000 bis 32.000 kampfunfähig), setzt Wagner in Bachmut seinen Kern an erfahrenen Elitekämpfern ein.
    In Anbetracht der äußerst ungünstigen taktischen Lage in der Stadt und der stark eingeschränkten Nachschubwege ist die Durchhaltefähigkeit der ukrainischen Verteidigung jedoch äußerst fraglich.
    Sowohl die russische als auch die ukrainische Seite erleiden schwere Verluste:
    Eine pessimistische Interpretation der jüngsten ukrainischen Zusagen, Bachmut zu halten, lautet: Die taktische Lage ist möglicherweise bereits so schlecht, dass ein organisierter Rückzug kaum noch möglich wäre.

    Ukrainische Kontrolle über Bachmut kaum möglich

    Sollte die Situation für die ukrainische Armee derart aussehen, wären Verstärkungen erforderlich, um den bereits vorhandenen Fluchtweg zu verbreitern. Nur so wäre ein geordneter Rückzug möglich und eine Einkreisung vermeidbar.



    Die optimistische Interpretation ist, dass die Ukraine durch den Einsatz weiterer Truppen in der Lage sein könnte, die Kontrolle über größere Teile der Stadt wiederherzustellen. Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen über die taktische Situation scheint dies jedoch kaum möglich zu sein.

    Russische Armee kann Donbass nicht überrennen

    Kurz gesagt: Die russischen Truppen werden den Donbass nicht überrennen, selbst wenn sie die Ruinen von Bachmut einnehmen. Vor allem deshalb nicht, weil sowohl die reguläre russische Armee als auch die Wagner-Gruppe während der Belagerung katastrophale Verluste erlitten haben, sowohl an Personal als auch an militärischer Ausrüstung.
    Es ist deshalb höchst fraglich, ob die russische Armee in der Lage ist, die Offensive aufrechtzuerhalten. Dies würde voraussetzen, dass Moskau eine umfassende Neuaufstellung seiner Streitkräfte durchführt - was wiederum Monate dauern würde.
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