Um Kinder im Internet zu schützen, scheint die Vorratsdatenspeicherung ungeeignet - gerade nach dem EuGH-Urteil. Die Ampel braucht endlich eine praktikable Lösung.
Der Evergreen Vorratsdatenspeicherung hat bereits im Vorfeld des EuGH-Urteils für einen Ampel-Streit gesorgt - und dieser könnte nun weitergehen. Wieder einmal droht sich eine Koalition zu verheddern in Grundsatzfragen, obwohl mehrere Urteile bereits Fakten geschaffen haben.
Wieder liegt eine Entscheidung auf dem Tisch: So wie mancher Politiker - und auch Strafverfolger - in Deutschland die Speicherung der Daten von Internetnutzern gerne sähe, verstößt sie gegen die Verfassung. Dass Provider wie zum Beispiel die Telekom automatisch, also ohne Anlass, die Daten der Nutzer für eine gewisse Zeit speichern, um sie im Zweifel auf Verlangen herauszugeben, lässt sich nicht vereinbaren mit EU-Recht.
- EuGH: Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Die Vorratsdatenspeicherung ist rechtswidrig. Ein lange erwartetes Urteil, das rechtliche und politische Folgen nach sich ziehen wird.
EuGH-Urteil Sieg für den Datenschutz?
Nun ließe sich ganz einfach sagen: ein Sieg für den Datenschutz, ein Sieg die Freiheit! Aber so einfach ist es nicht. Denn in dieser Debatte geht es nicht um Sieg oder Niederlage. Diese Debatte kehrt seit Jahren deshalb immer wieder, weil es vor allem um den Schutz der verwundbarsten und hilflosesten Mitglieder der Gesellschaft geht: um Kinder.
Wer einmal auch nur vergleichsweise harmlose Bilder oder Filmsequenzen zu Gesicht bekommen hat, die sexualisierte Gewalt an Kindern zeigen, kann die Befürworter der anlasslosen Speicherung verstehen.
Was Kindern, darunter Babys, und Jugendlichen da angetan wird, und zwar nicht nur für den festgehaltenen Moment, sondern für den Rest ihres Lebens, ist so unerträglich wie barbarisch und muss so schnell und flächendeckend wie möglich aufgeklärt werden. Täter gehören bestraft, derartige Verbrechen verhindert und die massenhafte Verbreitung dieser Verbrechen verhindert oder gestoppt.
Patrick Breyer (Piratenpartei) warnt vor der Vorratsdatenspeicherung: "Internetadressen sind wie unsere Finger- oder Fußabdrücke im Netz", sie machten die komplette Internetnutzung nachvollziehbar.
Vorratsdatenspeicherung aus mehreren Gründen nicht diskutabel
Aber Entscheidungen auf emotionaler Grundlage sind selten ratsam, zumal die Zahlen ebenfalls dagegen sprechen: Von 62.300 Hinweisen auf strafrechtlich relevante Vorgänge im Jahr 2021 konnten 2.150 aufgrund fehlender Vermittlungsdaten nicht aufgeklärt werden, ergab eine Anfrage der Fraktion von CDU und CSU im Bundestag. Das entspricht gerade mal 3,5 Prozent. Die Vorratsdatenspeicherung ist also aus mehreren Gründen nicht diskutabel.
Deshalb muss jetzt endlich konkret ge- und verhandelt werden. Deshalb setzen sich nun Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die sich im Vorfeld der Luxemburger Entscheidung für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hat, und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hoffentlich schnell an einen Tisch.
Warum SPD und FDP jetzt streiten
Buschmann, ebenso wie die Grünen, spricht sich für das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren aus, also eine Anlass-Datenspeicherung. Die Gegner dieser Lösung sagen: Es muss schon ein konkreter Verdacht vorliegen, damit Quick Freeze greift. Dann ist also schon Schlimmes passiert. Das ist richtig.
Aber: Es gibt keinen Königsweg. Es ist eine Abwägung zwischen den Grundsätzen einer freiheitlichen Gesellschaft und ihrer Aufgabe, ihre Schwächsten zu schützen. Es wird jetzt Zeit, sich endlich auf eine praktikable Lösung zu einigen - die könnte Quick Freeze lauten.