Waffen für Kiew bleiben ein Reizthema. Zwar beharrt die Union nicht mehr auf einen Konkurrenzantrag im Bundestag, zweifelt aber am Sinn des Panzer-Deals. Die Ampel verteidigt sich.
"Frau Ministerin, bitte kommen Sie zum Schluss." Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas hat mehr als einmal Mühe, die Bundesaußenministerin zu stoppen. Annalena Baerbock (Grüne) nutzte am Mittwoch die Regierungsbefragung des Bundestages, um die viel kritisierte Ukraine-Politik der Bundesregierung zu verteidigen. Vor allem den Schwenk von Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Erst war die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zu gefährlich, weil Russland einen Atomkrieg auslösen könnte. Seit Dienstag sollen nun doch Panzer Richtung Kiew geschickt werden. Doch wann sie kommen und ob sie der Ukraine im Kampf gegen Russland wirklich helfen, ist unklarer denn je.
Baerbock: Wegen Sicherheit wenig gesagt
Baerbock verteidigte die Politik der Ampel-Regierung. Seit Beginn des Krieges habe man geliefert. Man habe darüber mit Absicht nicht viel gesprochen, damit der Waffentransport nicht gefährdet werde und die Waffen ihr Ziel überhaupt erreichen. "Es geht nicht um die schnelle Schlagzeile", so Baerbock, ohne diejenigen in der eigenen Koalition, die auf Waffenlieferungen gedrängt hatten, namentlich zu erwähnen.
Entscheidend sei, so Baerbock, dass die Ukraine auch wirklich unterstützt und die Sicherheit Europas auch wirklich verteidigt werden könne.
Baerbock zählte auf, was bisher an die Ukraine geliefert worden sei:
- Tausende Panzerfäuste
- Flugabwehrraketen Stinger
- Fliegerfäuste Strela
- Munition im zweistelligen Millionenbereich
- Bunkerfäuste
- Maschinengewehre
- Panzerabwehrrichtminen
- Handgranaten im sechstelligen Bereich
Dazu kommen noch der vereinbarte Ringtausch und die Gepard-Panzer, weiteres ist in Planung. So könnten die Niederlande die Panzerhaubitze 2000 liefern und Deutschland die Ausbildung der Ukrainer übernehmen, wie das Bundesverteidigungsministerium heute sagte.
Bundeswehr mit wenig "Restfähigkeit"
Ob, wann und wie viele Gepard-Panzer an die Ukraine geliefert werden, scheint jedoch noch unklar zu sein. Gestern hatte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) dies angekündigt, aber immer auch auf "die Industrie" verwiesen.
Fakt ist: Die Panzer sind laut Bundesverteidigungsministerium vor fast zwölf Jahren von der Bundeswehr ausgemustert worden. Seit zehn Jahren stehen sie beim Hersteller Rheinmetall. Bei der Bundeswehr gebe es noch "wenig Restfähigkeit", so ein Ministeriumssprecher heute, die an dem Panzer noch ausbilden können.
Derzeit sei auch noch nicht klar, ob ukrainische Soldaten überhaupt ausgebildet werden müssen. Und ob die nötige Munition, aus der Schweiz etwa, besorgt oder mitgeliefert werden kann. Eine Anfrage zur Ausbildung am Gepard-Panzer liege derzeit nicht vor, so der Sprecher. Bei der Beschaffung der Munition wolle man helfen. Aber:
Kritik: Ausfuhrgenehmigung, mehr nicht
Genau das kritisieren die Union und der Bundeswehrverband. Deren Vorsitzender André Wüstner befürchtet, dass die Ankündigung, Panzer zu liefern, ein "tolles Zeichen" war, am Ende aber laufen könnte unter: gut gemeint und schlecht gemacht. Wüstner sagt in der ARD: "Wir haben eine Verantwortung, dass es klappt."
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU) befürchtet, die Bundesregierung erteilt die Ausfuhrgenehmigung, werde sich "aber um den Rest nicht kümmern". Man müsse aber gewährleisten, "dass eine solche Unterstützung auch funktioniert".
Union verzichtet auf eigenen Waffen-Antrag
Vize-Fraktionschef Johann Wadephul glaubt, die Panzer seien "frühestens im Herbst einsetzbar". Es handele sich nicht um eine "schnelle Hilfe" für die Ukraine, sondern nütze höchstens "mittelfristig". Laut Wadephul habe die Bundesregierung weniger ein kommunikatives Problem als ein "mentales":
Immer gebe es nur halbe, unvollständige Lösungen, findet Wadephul.
Trotz aller Kritik: Die Union will nun doch auf einen eigenen Antrag zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine verzichten. Die Ampel hatte mittlerweile ein Papier vorgelegt, das am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden soll. Die Hoffnung, Scholz-kritische Stimmen aus Grüne und FDP dafür zu bekommen, waren damit eher unwahrscheinlich. Außerdem verzichteten die Ampel-Parteien darauf, den Antrag mit dem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro zu verbinden.
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Und bei noch einem Punkt kam Kanzler Scholz der Opposition entgegen. Bei der ersten Debatte über das Sondervermögen am späten Nachmittag war er im Bundestag anwesend. Seine Reise nach Japan hatte er verschoben, nachdem sich die Union lautstark über eine Reise mitten in der Krise aufgeregt hatte. Jetzt fährt Scholz nur 20 Stunden nach Japan, bei 28 Stunden Flugzeit.
"Kürzer ging es wirklich nicht", so Regierungssprecher Steffen Hebestreit.