Die Union macht Druck auf die Ampel: Sie will im Bundestag eine Mehrheit gegen Scholz und für schwere Waffen an die Ukraine. Das wäre ein Misstrauensvotum - und kaum realistisch.
Eine Weile schon hatte die Unionsfraktion im Bundestag damit gedroht, jetzt will sie es durchziehen: In der kommenden Sitzungswoche wollen CDU/CSU beantragen, dass schwere Waffen an die Ukraine geliefert werden. "Es gibt eine klare parlamentarische Mehrheit", sagte Vize-Fraktionschef Johann Wadephul im ZDF.
"Es gibt eine klare parlamentarische Mehrheit für die Lieferung von Waffen in die Ukraine", so Johann Wadephul, CDU, stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss. Die CDU werde eine namentliche Abstimmung in den Bundestag bringen.
Misstrauensvotum durch die Hintertür?
Das konstruktive Misstrauensvotum ermöglicht dem Bundestag, einen Bundeskanzler abzuwählen, wenn er mutmaßlich nicht mehr das Vertrauen des Parlamentes hat, von dem er gewählt wurde.
Das Problem der Waffenlieferungen könnte eine solche grundsätzliche Frage sein, weil sich die Ampel seit Tagen darüber streitet. Geht es danach, hätte der Antrag der Union tatsächlich eine Chance auf eine Mehrheit, wäre das eine Schlappe für Kanzler Olaf Scholz (SPD) und könnte ein Misstrauensvotum nach sich ziehen.
Allerdings: Das Misstrauensvotum hat den Zusatz konstruktiv, weil die Parteien auch eine Nachfolge vorschlagen müssten. Das wiederum ist wenig wahrscheinlich, denn dann müsste eine Partei aus der Koalition ausscheren, damit eine neue Mehrheit zustande kommt. Die Union bräuchte dafür zum Beispiel die Grünen.
Die Lust am Wechsel nur wenige Monate nach Übernahme der Regierung? Dafür gibt es keine Signale. Zumal die Grünen schon allein wegen des Setzens auf Atomkraft von Friedrich Merz und Markus Söder ihre Schwierigkeiten mit einem Seitenwechsel haben dürften.
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Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.
Dass die Ampel-Koalition selbst den Kanzler austauscht oder völlig hinwirft, ist ebenso wenig wahrscheinlich. Dafür müsste Scholz sich öffentlichkeitswirksam durch eine Vertrauensfrage im Parlament den Rückhalt seiner Koalitionsparteien versichern lassen.
Doch diese existentielle Krise sieht man derzeit in der Koalition nicht.
Klingbeil fordert Ruhe in den Koalitionsparteien
Die SPD wies den Vorstoß von Wadephul heute erst einmal zurück. Co-Parteivorsitzender Lars Klingbeil sagte am Freitag:
Er appellierte an die Union, diese Spielchen "zu lassen". Die Waffenlieferungen seien mit den Spitzen der Koalitionsparteien FDP und Grüne abgestimmt. Alle anderen seien Einzelstimmen. Klingbeil forderte seine Koalitionsparteien auf, "dafür zu sorgen, dass Geschlossenheit hergestellt wird".
Seine Co-Vorsitzende Saskia Esken sieht das ähnlich: "Es war in den vergangenen Jahren, Jahrzehnten common sense, dass Regierung und Opposition in außenpolitischen Krisenzeiten zusammenhalten." Auch um das Ansehen des Landes zu stärken. "Dazu würde ich die Opposition aufrufen, sich darauf zurückzubesinnen." Die SPD selbst, so Esken, sei geschlossen und "vollkommen klar, in dem, was wir tun".
Strack-Zimmermann: Keine Ego-Nummer
Vor allem die Ausschussvorsitzenden des Bundestages Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Michael Roth (SPD) und Anton Hofreiter (Grüne) hatten nach ihrer Ukraine-Reise mehr Engagement und Waffenlieferungen von Scholz gefordert.
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Die FDP sendet derzeit verschiedene Signale. Auf der einen Seite will der Bundesparteitag die Forderung nach schweren Waffen beschließen. Auf der anderen klingt Strack-Zimmermann aktuell nicht mehr ganz so scharf wie in den vergangenen Tagen.
Allerdings, so Strack-Zimmermann, müsse klar sein, dass dieser "Prozess der Diskussion definitiv verkürzt werden muss". Denn Russland macht keine Pause mit diesem schrecklichen Krieg, "bis wir uns hier sortiert haben". Sie stellte klar: "Das ist hier keine Ego-Nummer."
Das wiederum hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich den Ausschussvorsitzenden vorgeworfen. Er sehe "eine breite Geschlossenheit, was die Kabinettsmitglieder betrifft", sagte er dem NDR.
"Die Kommunikation ist einfach nicht gut", so Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Man müsse transparenter sein - das würden auch die Alliierten erwarten.
Kanzler soll in den Ausschuss
Strack-Zimmermann hat als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Kanzler Scholz für kommenden Mittwoch in den Ausschuss eingeladen. Ob er kommt, ist derzeit offen. Scholz fliegt am Mittwoch nach Japan, am Vormittag will er bei einer Veranstaltung zum "Girls day" sprechen. Der Ausschuss tagt jedoch schon um 7:30 Uhr. Derzeit steht Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) als Gast auf der Tagesordnung. Allerdings zu einem anderen Thema.
Ob die Union ihren Ukraine-Antrag überhaupt auf die Tagesordnung bekommt, entscheidet sich Anfang nächster Woche, wenn die Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen darüber sprechen. Normalerweise geschieht das im "kollegialen Austausch", wie es im Bundestag heißt. Wenn nicht, braucht es eine Abstimmung zur Geschäftsordnung.
Zumindest machte Fraktionsvize Wadephul schon ein Angebot, dass es so weit nicht kommen muss: Über den Antragstext könne man reden. "Aber Inhalt muss klar sein", sagte Wadephul. "Deutschland muss liefern."