Schwere Waffen in die Ukraine? Die Ampel-Koalition streitet nun offen. Nach heftiger Kritik an Kanzler Scholz jetzt die Antwort von SPD-Fraktionschef Mützenich: Verantwortungslos!
Scholz hat die Lieferung schwerer Waffen bislang abgelehnt und äußert sich dazu oft vage. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter fordert ein Umdenken.
Ob Deutschland die Ukraine mit schweren Waffen unterstützen soll, wird offenbar zu einem immer größeren Problem innerhalb der Ampel-Koalition. Wegen der befürchteten neuen Offensive Russlands hatten drei Vorsitzende von Bundestagsausschüssen von SPD, Grünen und FDP einen Kurswechsel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) gefordert.
Sie wollen, dass er einen Kabinettsbeschluss kippt und mehr Führung zeigt. Nun kritisiert sie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Mützenich ist froh über Mitglieder des Kabinetts
Mützenich schreibt in einer Mitteilung an die SPD-Bundestagsfraktion: Sich vor Ort ein Bild zu machen, könne richtig sein.
Einfache Antworten, auch bei der Lieferung von schwerem Kriegsgerät, gebe es nicht. "Wer das behauptet, handelt verantwortungslos", schreibt Mützenich. Schwere Waffen zu liefern, hätte "weitgehende Konsequenzen für die Sicherheit unseres Landes und der Nato". Er sei froh, so Mützenich, dass im Bundeskabinett Frauen und Männer "Verantwortung tragen, die solche schwierigen Entscheidungen genau abwägen und die Konsequenzen nicht aus den Augen verlieren". Diesen die Eignung dafür abzusprechen, sei "ungerechtfertigt und wird dem Ernst der Lage nicht gerecht".
Dem Bundeskanzler wird mangelnde Führung vorgeworfen - auch aus den eigenen Reihen. Wie gefährlich das für den Kanzler ist, berichtet ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee.
Hofreiter: Wir brauchen eine andere Politik
Mützenich reagiert damit auf Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD), die in ihrer Funktion als Ausschussvorsitzende des Bundestages nach einer Reise nach Lemberg schwere Waffen für die Ukraine gefordert hatten. Und das gleich in mehreren Interviews.
"Was dringend passieren muss, ist eine andere Politik", sagte Grünen-Politiker Hofreiter zu RTL. Deutschland müsse schwere Waffen liefern und dürfe das Ölembargo nicht weiter blockieren. Deutschland verliere derzeit massiv an Ansehen. Schuld ist laut Hofreiter Kanzler Scholz:
Der Deutschen Welle sagte Hofreiter, der Kanzler "schadet nicht nur der Ukraine", sondern dem Ansehen Deutschlands in der Welt und in Europa.
Drei Bundestagsabgeordnete der Ampel-Koalition reisen nach Lemberg, treffen sich mit ukrainischen Parlamentariern. Über Waffenlieferungen wollen sie sprechen. Und müssen sich erstmal anhören, wie enttäuscht ihre Kolleg*innen sind.
Strack-Zimmermann fordert mehr Führung
Ähnlich sieht das Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Sie sagte im ZDF:
Diese Führung von Scholz vermisse sie, sagte sie im ZDF. Die Ukraine könne nicht warten, "bis sich Deutschland sortiert hat. Da wünschte ich mir ein bisschen mehr Tempo."
Die Ukraine könne nicht warten, bis Deutschland sich sortiert hat, sagt Agnes Strack-Zimmermann. Bundeskanzler Scholz sollte von seinem Recht Gebrauch machen, die Leitlinie in dieser Krisensituation vorzugeben.
Ein Grund, die Koalition zu verlassen, sei das aber nicht. Das Ringen in einer Koalition gehörte dazu, so Strack-Zimmermann. Auch Roth forderte im ZDF "mehr Orientierung" und zügig mehr Waffenlieferungen. "Wir brauchen jetzt eine Entscheidung", so Roth.
Grünen-Spitze distanziert sich von Hofreiter
Strack-Zimmermann wehrte sich per Twitter gegen die Kritik Mützenichs.
Dieser könne nicht akzeptieren, "dass ein altes, starres Weltbild zusammengebrochen ist und ignoriert dazu die Abläufe des Parlaments". Die Aufgabe des Parlamentes sei es, die Regierung zu kontrollieren. "Egal, ob Regierungspartei oder Opposition." Die Forderungen von ihr, Hofreiter und Roth "sind weder beispiel- noch verantwortungslos. Sie sind notwendig."
Die Grünen-Parteispitze distanzierte sich indes heute von der Kritik Hofreiters. "Das ist nicht die Linie von Bündnis 90/Die Grünen", sagte Co-Parteichef Omnid Nouripour. Die Koalition sei in der Ukraine-Frage "sehr eng beeineinander".
Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock sprächen gefühlt rund um die Uhr miteinander über den Krieg in der Ukraine. "Wir sind sehr dankbar für eine extrem enge Zusammenarbeit in dieser Bundesregierung in dieser Angelegenheit", sagte Nouripour.
Scholz wehrt sich
Kanzler Scholz hatte bereits am Mittwoch in einem Radiointerview des RBB seinen Kurs verteidigt. Man liefere die Waffen, die gerade gebraucht werden, so Scholz:
Was die Slowakei und Tschechien hingegen in die Ukraine schickten, sei zum Teil sehr alt. Deutschland liefere Panzer- und Flugabwehrwaffen sowie technische Ausrüstung. Und das in Abstimmung mit den Verbündeten, es werde "kein Alleingang" Deutschlands geben. "Wir bewegen uns im vollständigen Gleichklang mit unseren Freunden und Verbündeten", so Scholz.
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Der Vorwurf, man bremse bei der Lieferungen wie Panzern vom Typ Marder etwa, wies er zurück. Es sei schon interessant, so Scholz, wie viele Waffenexperten es plötzlich gebe: "Ich bin beeindruckt." Man dürfe nicht Waffen liefern, für die die ukrainischen Soldaten nicht ausgebildet sind. Und nicht jeder Panzer auf dem Hof sei tatsächlich brauchbar.
Man wolle nicht, "ich bleibe jetzt höflich", so Scholz, Rüstungsgüter in die Ukraine schicken, "die seit vielen Jahren von niemandem gekauft werden". Deutschland spiele eine entscheidenden Rolle bei der Hilfe für die Ukraine. "Und das werden wir auch weiter tun.“
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