Sollte Deutschland mehr Waffen an die Ukraine liefern? Ein Pro und Contra. Der Politologe Varwick befürchtet in seinem Gastkommentar, der Krieg würde dadurch noch blutiger.
Um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine tobt eine Debatte. Prominente fordern in Offenen Briefen Kanzler Scholz auf, davon Abstand zu nehmen oder werben für eine Ausweitung der militärischen Unterstützung. ZDFheute hat zwei Wissenschaftler gebeten, ihre Perspektive zu schildern. Für die Pro-Seite argumentiert Militärexperte Gustav Gressel, die Contra-Position nimmt im Folgenden der Politologe Johannes Varwick ein.
Kern einer Zeitenwende ist, dass es ein Davor und ein Danach gibt - und das Danach anders aussieht. Dabei sollten jedoch nicht alle Tabus fallen. Das gilt auch für die Frage von Waffenlieferungen in Konfiktgebiete.
Waffenlieferungen zur Ertüchtigung gegen den Aggressor
War Zurückhaltung - in der Erkenntnis, dass mehr Waffen einen Konflikt nicht lösen, sondern verlängern - jahrzehntelange Praxis in Deutschland, gilt dies heute nicht mehr. Deutschland liefert inzwischen ein breites Spektrum an Waffen in die Ukraine, von Panzerabwehrraketen bis Flugabwehrkanonenpanzer.
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Befürworter dieser Waffenlieferungen argumentieren, dass die Ukraine damit ertüchtigt werden müsse, gegen den russischen Angriffskrieg zu bestehen. Russland dürfe diesen Krieg nicht gewinnen, besser noch: Die Ukraine solle das Blatt wenden und in die Lage versetzt werden, Gebiete zurückzuerobern.
Stärkung einer Partei kann Verhandlungspositionen stärken
Auch wenn es in der Sicherheitspolitik selten Entscheidungen gibt, die zu hundert Prozent falsch oder richtig sind, gilt es doch, Eskalationsszenarien nüchtern abzuwägen und die Dinge vom Ende her zu denken. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Waffenlieferungen den Konflikt nicht lösen, sondern allenfalls die Bedingungen für eine Verhandlungslösung verändern können.
In diesem Sinne wäre es zumindest denkbar, dass der anhaltende Widerstand der Ukraine Russland dazu zwingt, von seinen Maximalzielen Abstand zu nehmen und sich aus der Ukraine zurückzieht. Dann wäre es verantwortbar und sogar geboten, diese Ertüchtigung mit westlichen Waffenlieferungen zu unterstützen.
Moderne und komplexe Waffensysteme bedürfen jedoch Ausbildung und logistischer Unterstützung. Das heisst die Vorstellung, wir schicken eine Lieferung und haben dann damit nichts mehr zu tun, ist abwegig. Zudem besteht das reale Risiko, dass Waffenlieferungen von Russland angegriffen werden, ggf. sogar jenseits des ukrainischen Territoriums.
Grenze zur Kriegsbeteiligung wird verschoben
Was also, wenn dies nur dazu führt, dass Russland seine Ziele mit größerer Entschlossenheit und noch mehr Brutalität zu erreichen versucht und womöglich weiter eskaliert? Ist es vorstellbar, dass eine Nuklearmacht einen Krieg, den es aus seiner (irrigen) Sicht für seine vitalen Interessen führt und dafür einen hohen Preis zahlt, am Ende verliert?
Soziologe Prof. Harald Welzer, Mitunterzeichner des offenen Briefs an Bundeskanzler Scholz zur Warnung vor dem 3. Weltkrieg, zur Debatte über die Waffenlieferungen an die Ukraine
Wer dann Waffenlieferungen mit dem Argument befürwortet, es müsse alles getan werden, damit die Ukraine nicht verliert, der kann nur schwer begründen, warum wir nicht auch selbst für die Ukraine in den Krieg ziehen sollten.
Mit Waffenlieferungen wird mithin die Grenze hin zu einer Kriegsbeteiligung stückweise verschoben und es fällt vermutlich eines Tages schwer, einen aktiven Kriegseintritt zu vermeiden. Zudem hat Russland die Eskalationsdominanz in diesem Krieg, die durch Waffenlieferungen nicht verschoben wird. Insofern ist zu erwarten, dass der Krieg dadurch entweder nur blutiger und länger wird, am Ausgang aber nichts ändert oder aber zu einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland eskaliert.
Ziele nüchtern und realistisch abwägen - und priorisieren
All das ist der falsche Weg. Vielmehr sollten wir uns mit Nüchternheit und Realismus vergewissern, was denn unsere politischen Ziele sind und diese bei den schwierigen Abwägungsentscheidungen berücksichtigen.
- Erstens gilt es, um fast jeden Preis einen offenen Krieg mit Russland verhindern, der außer Kontrolle geraten und auch nuklear eskalieren könnte.
- Zweitens müssen wir der Ukraine helfen, sich als Staat und Gesellschaft zu behaupten.
- Drittens muss Russland einen Preis für sein Verhalten vor Augen geführt werden, damit sein skrupelloses Verhalten nicht stillschweigend toleriert wird.
Das Problem ist nur, dass sich diese drei berechtigten Ziele derzeit nicht alle gleichermaßen erreichen lassen - und deshalb ist es notwendig, zu priorisieren.
Einen Krieg mit Russland zu vermeiden, sollte dabei für uns die oberste Priorität haben. Immer mehr Waffenlieferungen wären aber ein Schritt in diese Richtung. Deshalb sollten wir damit zurückhaltend sein und nicht alleine die (nachvollziehbaren) ukrainischen Wünsche als Entscheidungsmaßstab nehmen, sondern unsere Interessen im Blick halten.
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"Waffenlieferungen tragen zu Verlängerung des Krieges bei"
Dieser Krieg wird zudem nur durch eine diplomatische Lösung beendet werden. Dabei wird keine Seite Maximalforderungen durchsetzen können. Es wird vielmehr am Ende eine neutrale und demilitarisierte Ukraine geben, die nicht eindeutig dem westlichen oder russischen Einflussgebiet zufällt.
Wenn mithin am Ende eines langen oder weiter eskalierten Krieges das gleiche Ergebnis herauskommt, das auch heute bereits möglich wäre, dann ergibt es keinen Sinn, immer weiterzukämpfen mit zehntausenden Toten und traumatisierten Menschen. Die Waffenlieferungen tragen in dieser Lesart nur zu einer Verlängerung des Krieges bei und sind eine falsche Entscheidung. Zeitenwende hin oder her.
Kommentar- Pro: Für Waffen für die Ukraine
Sollte Deutschland mehr Waffen an die Ukraine liefern? Ein Pro und Contra. Militärexperte Gressel argumentiert im Gastkommentar, dass man Putin nur militärisch beikommen könne.
von Gustav Gressel-
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Liveblog- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.
Aktuelle Nachrichten zur Ukraine
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