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Behauptung von Linken-Politikern : Verhindert der Westen Frieden in der Ukraine?

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Die Linken-Politikerinnen Wagenknecht und Dagdelen behaupten, der Westen stelle sich gegen einen Waffenstillstand im Ukrainekrieg und will, dass der Kampf weitergeht. Was ist dran?

Boris Johnson und Wolodymyr Selenskyi
Boris Johnson bei seinem Besuch in Kiew mit Wolodymyr Selenskyi - hat der Westen einen Frieden verhindert?
Quelle: reuters

Zwei Videos von Bundestagsabgeordneten der Linken sorgen derzeit in Sozialen Netzwerken für große Diskussionen. Eines zeigt einen Ausschnitt aus einer Rede von Sahra Wagenknecht bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen, in einem weiteren ist Sevim Dagdelen in einer Talkrunde bei Phoenix zu sehen. Die Linken-Politikerinnen offenbaren darin ihre eigene Sicht auf den Ukraine-Krieg. Ihre Botschaft: Die USA und Großbritannien hätten sich gegen eine Vereinbarung für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine gestellt und gefordert, dass der Kampf weitergeht.

Dagdelen, die auch Sprecherin für internationale Politik der Bundestagsfraktion der Linken ist, wird besonders drastisch: Es habe schon ein Dokument gegeben, auf das sich beide Seiten einigen konnten. "Aber letztendlich hatte es dazu geführt, dass der britische Premierminister Johnson, als er hingereist ist und gesagt hat, nein wir wollen bis zum letzten Ukrainer hier kämpfen. Und ich finde das wirklich zynisch hier bis zum letzten Ukrainer kämpfen zu wollen, von London aus."

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Auch Wagenknecht spricht von einem bereits ausgehandelten Dokument. "Das hätte den Krieg beenden können", ruft sie am Dienstag bei einer Wahlveranstaltung in Wuppertal. Dann jedoch hätte Boris Johnson interveniert und Zugeständnisse der Ukraine an Russland abgelehnt. Auch die USA hätten geäußert, dass es besser wäre, wenn "dieser Krieg auf dem Schlachtfeld entschieden wird, so wie das neuerdings heißt".

Zunächst Fortschritte bei Friedensgesprächen

Was ist dran an den Vorwürfen, der Westen habe eine bereits ausgehandelte Waffenruhe und damit den Frieden verhindert? Tatsächlich gab es bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland Ende März in Istanbul zunächst Annäherungen. So machte die Ukraine beispielsweise das Angebot, gegen Sicherheitsgarantien einen neutralen Status zu akzeptieren.

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Russland hingegen kündigte an, seine Truppen beispielsweise um Kiew zu verringern und sich militärisch auf den Osten zu konzentrieren. Laut einem Bericht der "Financial Times" gab es sogar einen Entwurf für ein Waffenstillstandsabkommen. Die Friedensgespräche endeten jedoch ohne konkrete Ergebnisse - und der ukrainische Präsident Selenskyj äußerte schnell Zweifel an russischen Zugeständnissen, da nach Angaben der Ukraine die Angriffe Russlands unvermindert weitergingen. Ein unterschriftsreifes Abkommen gab es offenbar nicht.

Butscha als Wendepunkt

Und dann kam Butscha. Unmittelbar nach den Friedensgesprächen von Istanbul wurde bekannt, dass es ein Massaker an Zivilisten in dem Vorort von Kiew gegeben hatte. Nach dem Abzug russischer Soldaten wurden dort nach ukrainischen Angaben die Leichen von über 400 getöteten Menschen entdeckt. Das mutmaßliche Kriegsverbrechen markiert einen Wendepunkt, Russland stand plötzlich mehr denn je am Pranger, die Ukraine forderte lauter als zuvor schwere Waffen.

"Nachdem Butscha passiert ist, haben die Ukrainer gesagt: 'Jetzt ist es nicht mehr möglich, mit den Russen zu verhandeln'", sagt Verteidigungsexperte Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München im Gespräch mit ZDFheute.

Aus seiner Sicht hat vor allem Butscha die Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine "torpediert", nicht irgendwelche Aussagen aus den USA oder von Boris Johnson.

Dagdelen: Habe Johnson "nicht wörtlich zitiert"

Boris Johnson hat den von Sevim Dagdelen behaupteten Satz - man wolle "bis zum letzten Ukrainer kämpfen" - so auch nie gesagt. Das räumt die Linken-Politikerin auf Anfrage von ZDFheute ein: Sie habe Johnson "nicht wörtlich zitiert", schreibt sie in einer Email. Sie habe stattdessen die politische Maxime der Briten und Amerikaner "bis zum letzten Ukrainer kämpfen" zu wollen und eine mögliche Verhandlungslösung Kiews mit Moskau zu vereiteln, als "zynisch" kritisiert.

Tatsächlich ist der Ton von westlichen Politikern nach Butscha unnachgiebiger geworden: So zitiert die britische "Times" Boris Johnson Anfang April mit den Worten, es solle keine Einigung mit Russland geben, "solange die Ukraine nicht die Oberhand hat" ("No settlement with Russia until Ukraine holds whip hand"). Vor und während seines Besuchs in Kiew sprach sich Johnson nach Medienberichten - unter anderem des britischen "Guardian" und des ukrainischen Onlineportals "Ukrajinska Prawda" - dafür aus, dass die Ukraine gegenüber Russland keine Zugeständnisse machen solle.

USA wollen Russland schwächen

Auch die USA zeigten sich nach den Verhandlungen skeptisch, betonten aber immer wieder, die Ukraine nicht zu einem bestimmten Deal drängen zu wollen. Gleichzeitig gibt es aber offenbar einen schleichenden Strategiewechsel: US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte zuletzt, ein Ziel der Ukraine-Hilfe sei auch, Russland in einem Maße zu schwächen, "dass es dem Land unmöglich macht, zu tun, was es in der Ukraine mit der Invasion getan hat".

In einem Bericht der Washington Post heißt es, dass manche Nato-Mitglieder - gemeint sind die Nachbarstaaten der Ukraine - es lieber sähen, dass die Ukrainer "weiter kämpfen und sterben als einen Frieden zu erreichen, der zu früh kommt und zu einem zu hohen Preis für Kiew und den Rest Europas erlangt wird". Dahinter steht die Sorge, dass die Ukraine für das Machtstreben Russlands nur der erste Schritt eines größeren Feldzugs sein könnte.

Dagdelem und Wagenknecht stimmten sich offenbar ab

"Inwieweit die Verbrechen in Butscha die Verhandlungen entscheidend beeinflusst haben, vermag ich nicht zu beurteilen", schreiben sowohl Sevim Dagdelen als auch ihrer Fraktionskollegin Sahra Wagenknecht wortgleich an ZDFheute in einer Email. Offenbar haben sie sich abgestimmt.

"Die Geschehnisse in Butscha müssen dringend durch eine unabhängige internationale Untersuchung aufgeklärt werden", heißt es. Es müsse alles dafür getan werden, so schnell wie möglich durch einen Waffenstillstand und einen Verhandlungsfrieden weitere Verbrechen dieser Art zu vermeiden und zu verhindern, dass noch mehr Menschen sterben.

Montage: Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj vor einem Blick auf das zerstörte Mariupol

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