Berlin-Wahl: Richter tendieren zu kompletter Wiederholung

    Nach Chaos und Pannen:Berlin-Wahl: Gericht tendiert zu Wiederholung

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    Chaos und viele Pannen: Nach der Berlin-Wahl vor einem Jahr gab es viele Beschwerden. Nun zieht das Verfassungsgericht Berlin die komplette Wiederholung in Betracht.

    Der Berliner Verfassungsgerichtshof hält nach vorläufigen Einschätzung eine komplette Wiederholung der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus für erforderlich. Das erklärte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting zum Auftakt der mündlichen Verhandlung am Mittwoch.

    Nur bei Wiederholung "verfassungskonformer Zustand"

    Bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl habe es eine Vielzahl von Wahlfehlern gegeben, so Selting. Diese seien nach einer vorläufigen Einschätzung mandatsrelevant gewesen - sie hatten nach Einschätzung des Gerichts also Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Parlaments und die Verteilung der Mandate. Verantwortlich seien die Landeswahlleitung und der Senat.
    Das Gericht habe den Korrekturbedarf mit dem Bestandsinteresse des am 26. September 2021 gewählten Parlaments abgewogen und sei zu dem Schluss gekommen:

    Nur eine vollständige Wiederholung der Wahl kann einen verfassungskonformen Zustand herbeiführen.

    Ludgera Selting, Berliner Verfassungsgerichtshof

    Noch keine endgültige Entscheidung

    Das betreffe auch die Wahlen zu den zwölf Berliner Bezirksverordnetenversammlungen, die ebenfalls am 26. September stattfanden. Selting unterstrich, dass diese vorläufige Einschätzung des Gerichts noch keine endgültige Entscheidung sei. Es könne sein, dass die Richter im Zuge der laufenden Wahlprüfungsverfahren "an der einen oder anderen Stelle" noch zu anderen Wertungen kommen könnten.
    Wann das Gericht nach der mündlichen Verhandlung sein Urteil über die Gültigkeit der Wahlen spricht, blieb zunächst offen. Nach dem Termin bleiben drei Monate Zeit dafür, also bis Ende des Jahres. Eine mögliche Wahlwiederholung müsste nach dem Urteil innerhalb von 90 Tagen über die Bühne gehen. Spätester Termin wäre also im März.

    Fehlende Stimmzettel, Stundenlange Wartezeiten

    Vor gut einem Jahr wurden in Berlin der Bundestag, das Berliner Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen gewählt. Dazu kam noch ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Dabei gab es massive Pannen, etwa falsche oder fehlende Stimmzettel, die zeitweise Schließung von Wahllokalen und lange Schlangen davor mit teils stundenlangen Wartezeiten. Zum Teil stimmten Wähler in Wahllokalen sogar auf eilig kopierten Stimmzetteln ab, weil Nachschub ausblieb.
    Bei der Wahl seien Grundsätze wie Wahlfreiheit und -gleichheit verletzt worden, so Selting. Betroffen gewesen seien Tausende Wähler, auch wenn deren genaue Zahl im Nachhinein nicht mehr festzustellen sei. Das liege auch an der mitunter lückenhaften Dokumentation der Vorkommnisse.
    Insgesamt liegen dem Gericht 35 Einsprüche gegen die Wertung der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den zwölf Bezirksparlamenten vor, über vier davon soll zunächst verhandelt werden. Dabei geht es um die Beschwerden der Landeswahlleitung, der Innenverwaltung sowie der Parteien AfD und Die Partei.
    Quelle: dpa, AFP

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