Auch im Ausland schaute man gespannt auf den Ausgang der französischen Präsidentschaftswahl zwischen Macron und Le Pen. Verschiedene Pressestimmen im Überblick.
In Brüssel blickt man erleichtert auf die Wiederwahl von Macron. Trotzdem sind die EU-kritischen Tendenzen in Frankreich und anderen Ländern ein Anlass zur Sorge. Was zieht die EU daraus?
Das "Wallstreet Journal" aus den USA schreibt zur Wiederwahl von Präsident Emmanuel Macron: "Frankreich wird angesichts seiner Art des gaullistischen Nationalismus immer ein anstrengender Nato-Verbündeter sein. (...) Aber (Macron) gebührt der Verdienst, die Welt vor Le Pen gerettet zu haben. Die langjährige Putin-Verfechterin will Frankreich aus der Nato-Kommandostruktur abziehen. Obwohl sie den Angriff auf die Ukraine verurteilt hat, ruft Le Pen bereits dazu auf, Moskau entgegenzukommen, selbst während es ukrainische Städte in Schutt und Asche zerbombt.
Macrons zahlreiche Annäherungsversuche an Wladimir Putin vor und nach der Invasion sind ebenfalls gescheitert. Es ist nicht klar, ob er irgendwelche Lehren daraus gezogen hat.
(...) Die Konzentration auf wachstumsfördernde Reformen - und nicht auf klimabezogene Obsessionen oder populistische Gesten (...) - würde dazu beitragen, die wirtschaftliche Vitalität wiederherzustellen, die Macron ursprünglich versprochen hatte. Das würde es auch weniger wahrscheinlich machen, dass jemand Radikales wie Le Pen oder Mélenchon in fünf Jahren an die Macht kommt."
Die russische Tageszeitung "Kommersant" schrieb am Montag: "In Frankreich wurde die Möglichkeit einer russischen Einmischung in die Wahlen ernsthaft diskutiert. (...) Sie lief aber nicht so, wie erwartet, sondern schlimmer."
Das habe auch der Gegenkandidatin Marine Le Pen geschadet. "Für Probleme hat Macron geschickt Moskau, das Kampfhandlungen in der Ukraine führt, die Schuld gegeben. (...) Also hatten diejenigen Recht, die schon früh meinten, dass die 'russischen Panzer' Emmanuel Macron in den Palast bringen könnten."
Die Londoner "Times" blickt bereits auf die nächste Herausforderung Macrons - die Wahlen zur französischen Nationalversammlung im Juni:
"Sie werden ein wichtiges Schlachtfeld für die Linke sein, die zwar nicht die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen erreichte, aber immer noch über eine breite Unterstützung von Gewerkschaften, Lehrern und Staatsbediensteten sowie jungen Wählern verfügt, die von der kompromisslosen, wenn auch unrealistischen Politik von Jean-Luc Mélenchon angezogen werden - dem alternden Bannerträger der extremen Linken.
Berichte aus Österreich und der Schweiz: Der Westen ist erleichtert, doch Macron startet geschwächt
Aus Österreich schreibt "Der Standard" am Montag: "Macron geht geschwächt in sein zweites Mandat. Schon das erste war von Gelbwesten- und Rentenprotesten geprägt, von der Covidkrise und dem Ukrainekrieg überschattet.
Populisten wie Le Pen, Eric Zemmour oder Jean-Luc Mélenchon werden den zwar siegreichen, aber unpopulären Staatschef nun in die Zange nehmen. (...) Denn anders als bei seiner ersten Wahl 2017 wird Macron nicht mehr von der Aura des kometenhaft gestarteten Newcomers profitieren.
Man kann nur sagen: Viel Glück, Monsieur le Président."
Der Zürcher "Tages-Anzeiger" berichtet: "Für die politische Kultur Frankreichs ist der Ausgang der jüngsten Wahlen eine Zäsur."
Die Rechtspopulistin hätte die Europäische Union schwächen und Frankreichs Engagement in der Nato reduzieren wollen. Ihre Wahl wäre auch ein Erfolg für Wladimir Putin gewesen, denn Le Pen lehnt harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen für die Ukraine ab.
"Emmanuel Macron hingegen steht für ein geeintes Europa. Während der Pandemie hat er sich für den EU-Wiederaufbaufonds starkgemacht. Er forderte rasch harte Sanktionen gegen Wladimir Putin und ist gewillt, die Ukraine militärisch zu unterstützen. Zuletzt hat Frankreich auch schwere Waffen in die Ukraine geliefert. Für die westliche Allianz ist seine Wiederwahl ein Grund zur Erleichterung."
- "Sieg für die Demokratie"
Staats- und Regierungschefs aus aller Welt haben Frankreichs Präsident Macron zur Wiederwahl gratuliert und sehen diese auch als Sieg für Europa.
Präsidentschaftswahlen in Frankreich - Reaktionen aus Benelux
Die Zeitung "De Telegraaf" aus Amsterdam hebt hervor, Macron stünde nach seiner Wiederwahl vor großen Herausforderungen: "Das amtierende Staatsoberhaupt erreichte zwar eine größere Mehrheit als erwartet, aber das bedeutet nicht, dass gut die Hälfte der Franzosen ihn auch wirklich unterstützt.
(...) Ungeachtet seiner Mehrheit steht Macron vor großen Herausforderungen. Er will nun eine umstrittene Rentenreform anpacken, die er in seiner ersten Amtszeit nicht durchsetzen konnte. Der Präsident findet, das Renteneintrittsalter der Franzosen müsse von 62 auf 64 steigen.
Marine Le Pen hatte das Rentenalter nicht anrühren wollen, Jean-Luc Mélenchon wollte es sogar auf 60 absenken. Zusammen waren diese beiden Kandidaten in der ersten Runde auf 45 Prozent gekommen."
In mehreren französischen Städten ist es bei Demonstrationen nach dem Ausgang der Präsidentschaftswahl zu Ausschreitungen gekommen. In Lyon griff die Nationalpolizei ein.
Die belgische Zeitung "De Standaard" kommentiert am Montag:
Dass er sich nicht zur Wiederwahl stellen kann, macht Macron in gewisser Weise auch zu einem befreiten Präsidenten. Er hat nun mehr Spielraum, um seinen Überzeugungen zu folgen, ohne ständig auf Meinungsumfragen Rücksicht nehmen zu müssen. (...)
In den vergangenen zwei Wochen versprach Macron ärmeren Wählern, dass er nach seiner Wiederwahl eine sozialere Politik verfolgen werde. (...) Die Frage ist, ob er dieses Versprechen bricht oder einen echten Versuch unternimmt, die Kluft zwischen den Wohlhabenden und den notleidenden Franzosen mit einem Marshallplan zu schließen. Tut er dies nicht, riskiert Frankreich, in fünf Jahren erneut mit einem extrem rechten Kandidaten konfrontiert zu werden, der von noch mehr Frustration zehren kann. Das würde eine noch größere Gefahr eines Debakels für die Demokratie mit sich bringen."
- Wahlgeschenke für Europa
Aufatmen in der EU: Die Kernschmelze der Gemeinschaft wird nicht stattfinden, der Europäer Macron hat gegen die Chauvinistin Le Pen gewonnen.
"La Repubblica" (Italien): Wahlsieg Macrons ist gesund für Frankreich und EU
Aus Rom berichtet die italienische Zeitung "La Repubblica": "Der Sieg von Emmanuel Macron bei den Präsidentschaftswahlen ist gesund für Frankreich, aber noch mehr für die Europäische Union.
(...) Denn was Europa in diesem Moment dringend braucht, ist eine Führung, die fähig ist, es auf einem gemeinsamen politisch-militärischen Nenner zusammenzuhalten, der nicht nur jener von den Vereinigten Staaten vorgegebene ist, sondern der - mit Blick auf einen sich entfernenden Frieden und einen Krieg, der sich auf Monate, wenn nicht sogar Jahre, zu verlängern droht und immer mehr zu einer Spirale des Schreckens ohne Ende wird - eine eigene Identität in seinen Visionen und Vorschlägen hat. Diese Führung kann jetzt nur das Frankreich von Macron übernehmen."
"Público" (Portugal): Europas Demokratie trotz Macrons Sieg in Gefahr
Die portugiesische Zeitung "Público" kommentiert am Montag den hohen Stimmenanteil für die rechtspopulistische Politikerin Marine Le Pen: "Wie erwartet wurde Emmanuel Macron mit einer deutlichen Mehrheit wiedergewählt.
Aber diese Kräfte haben im Kampf gegen den populistischen Extremismus nur Zeit gewonnen. Le Pen brachte dieses Gefühl zum Ausdruck, als sie das Ergebnis der Wahl als "Sieg" bezeichnete. Sie ist heute gemäßigter und Macron hat nicht alle seine Versprechen umgesetzt. Die Probleme der Mittelschicht haben sich verschärft und das soziale Klima wurde durch Ungleichheit und die Probleme bei der Integration von Einwanderern aufgeheizt.
In vielen Ländern Europas ist es nicht mehr ausgeschlossen, dass Europa in die Hände derer fallen könnte, die es hassen. Ein Europa müder Bürger, die nicht verstehen, dass sie trotz allem im besten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Raum der Welt leben. Wähler, die an die Wunder des Nationalismus glauben, die Einwanderern die Schuld geben und alle Politiker für korrupt halten."
"Gazeta Wyborcza" (Polen): Macron muss in zweiter Amtszeit vorsichtiger sein
Die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" kommentiert den erneuten Wahlsieg von Emmanuel Macron: "Das Ergebnis, das der amtierende Staatschef einfuhr, sichert ihm eine zweite fünfjährige Amtszeit im Elysée-Palast, aber es ist deutlich niedriger als das bei der vorhergehenden Wahl 2017.
Das gilt umso mehr, als dass ein Großteil der Stimmen, die für ihn abgegeben wurden, von solchen Wählern kommt, die in der ersten Runde für Kandidaten gestimmt hatten, deren Programm sich von Macrons Vorschlägen sehr unterschied."
"Lidove noviny" (Tschechien): Macron und Le Pen sind sich näher als gedacht
Die konservative Zeitung "Lidove noviny" aus Tschechien berichtet, Emmanuel Macron und seine rechte Herausforderin Marine Le Pen seien politisch nicht so weit voneinander entfernt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Beide hätten immer wieder auf Ex-Präsident Charles de Gaulle verwiesen, dessen Erbe für Frankreich von entscheidender Bedeutung sei.
Ein Europa der Nationen oder der Vaterländer, wie es de Gaulle vorschwebte, sei Macron keineswegs so fremd wie etwa der deutschen Regierung. Unter Macron dürften sich Frankreich und Deutschland ideologisch eher weiter voneinander entfernen als annähern, so die tschechische Zeitung.
"Sme" (Slowakei): Populismus kann wieder Zugkraft gewinnen
In der Slowakei berichtet die Tageszeitung "Sme": "Diese Wahl war anders als jene vor fünf Jahren. Macron hat sich geändert. Aus dem energischen Politik-Neuling, der die Massen fesseln konnte, ist ein Liebling der Wählergruppe über 60 Jahren geworden, die sich Stabilität wünscht (...).
Während er vor fünf Jahren über seine großen Visionen für die Franzosen und Europa sprach, setzte er in diesem Wahlkampf auf eine Fortsetzung seines Regierungsstils und darauf, dass das Land in Zeiten von Pandemie und Ukraine-Krieg einen erfahrenen und kompetenten Führer brauche.
(...) Aber auch die (Marine) Le Pen von 2022 ist eine andere. (...) Sie sprach nicht mehr von einem Zerschlagen der Europäischen Union, sondern fand sich beim Thema Teuerung. Offenbar hatten viele Franzosen das Gefühl, dass ausgerechnet diese Polit-Veteranin, die mit der Arbeiterklasse eigentlich keine persönliche Erfahrung verbindet, gerade in der Kritik von Macrons 'Politik gegen das Volk' authentisch wirkte."