Bei der Landtagswahl im Saarland ist die SPD nach sehr hohen Zugewinnen auf dem Weg zur absoluten Mehrheit, die CDU fällt auf ihr schlechtestes Saarland-Ergebnis nach 1955.
Die Linke scheitert nach Rekordverlusten an der Fünf-Prozent-Hürde. AfD und Grüne schaffen wohl den Sprung in den Landtag, bei der FDP ist das kurz nach 18 Uhr noch offen.
Wahlmotive: Politik im Saarland entscheidend
Die Wahl im kleinsten Flächenland war regional geprägt: Bei aller Präsenz des Krieges in der Ukraine war ähnlich wie 2017 für 65 Prozent der Wähler*innen die Politik im Land wichtiger (im Bund: 31 Prozent).
Hier trifft eine sehr starke Herausforderin von der SPD auf einen wenig überzeugenden CDU-Ministerpräsidenten, dessen Partei bei Ansehen und Sachkompetenzen einbricht. Dagegen überzeugt die Saar-SPD neben der Spitzenkandidatin mit Reputation und guter Arbeit, profitiert zusätzlich aber auch vom Absturz der Linken.
Spitzenkandidat*in: Herausforderin klar vor Amtsinhaber
Symptomatisch für Machtverschiebung und Führungswechsel ist zunächst die Frage nach dem/r gewünschten Regierungschef*in: Hier liegt Herausforderin Anke Rehlinger (SPD) mit 57 Prozent weit vor Amtsinhaber Tobias Hans (CDU) mit 31 Prozent – ein seltenes Phänomen, das sich neben der im Ländervergleich schwachen Leistungsbilanz des Ministerpräsidenten (gute Arbeit: 55 Prozent) mit großen Unterschieden beim Ansehen erklärt.
Während Hans auf der +5/-5-Skala nur auf 1,1 kommt, erreicht Rehlinger mit 2,4 das hohe Ansehen von Ex-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (2017: 2,4).
Wichtige Themen: SPD-Kompetenz und CDU-Defizite
Nach dem Spitzenpersonal gibt es auch in der schwarz-roten Landesregierung ein atypisches Leistungsgefälle zugunsten des bisherigen Koalitionsjuniors: Auf der +5/-5-Skala wird die Arbeit der SPD (1,9) besser bewertet als die der CDU (1,1), die sachpolitisch jetzt erhebliche Defizite zeigt: Beim im Saarland wichtigsten Thema, Arbeitsmarkt und Jobs, wird die CDU von der SPD ungewöhnlich klar deklassiert.
Zudem liegt die SPD auch bei
- "Infrastruktur",
- "Soziale Gerechtigkeit",
- "Wirtschaft",
- "Bildung" oder
- "Zukunft"
klar vor einer CDU, die nur beim Thema "Corona" führt.
Parteiansehen: Saarland-Grüne mit großem Imageproblem
Neben Kandidatin und Sachkompetenz überzeugt die Saar-SPD mit hohem Parteiansehen (2,2; 2017: 1,9). Die CDU hat heftige Imageeinbußen (1,1; 2017: 2,1), wird vor Ort aber weit mehr geschätzt als FDP oder Grüne.
Der FDP (minus 0,1; 2017: minus 0,5) begegnen die Befragten reserviert und die Grünen (minus 0,9; 2017: minus 0,4) haben als Landespartei ein zunehmendes Imageproblem, wobei die Saarländer*innen differenzieren: Als Bundesparteien werden FDP und Grüne sichtbar besser bewertet.
Linke: Einbruch ohne Lafontaine
Während die AfD (minus 3,8; 2017: minus 3,6) weiter extrem kritisch gesehen wird, hat die Linke (minus 1,8; 2017: minus 0,1) beim Ansehen Rekordverluste. Neben schlechten Noten für ihre Arbeit und kaum noch Sachkompetenz fehlt ihr jetzt die Gallionsfigur: Für 78 Prozent der Befragten war die Linke bei Wahlen im Saarland "nur wegen Oskar Lafontaine so stark".
Wer wählte wen: Generation 60plus in Bewegung
Die SPD wird in den meisten Bevölkerungsgruppen stärkste Partei, profitiert aber zunächst ganz wesentlich von erheblicher Bewegung bei den ab 60-Jährigen: Hier kommt die SPD jetzt nach einem spektakulären Plus von 21 Prozentpunkten auf 50 Prozent.
Die CDU bricht in dieser beteiligungsstarken Gruppe heftig ein, bleibt mit 33 Prozent (minus 17) aber weiter überdurchschnittlich. Alle anderen Parteien liegen in der Generation 60plus unter der Fünf-Prozent-Marke.
Bei den unter 30-Jährigen kommt die SPD auf 35 Prozent und die CDU auf 19 Prozent, Grüne und FDP erzielen hier mit 12 bzw. neun Prozent ihr relativ bestes Ergebnis, wobei die FDP in dieser Gruppe von weitaus mehr Männern als Frauen gewählt wird.
Die AfD liegt wie gewohnt bei Männern mittleren Alters über ihrem Schnitt, die Linke bricht unter Frauen ähnlich stark ein wie unter Männern.
Koalitionen: Votum für Führungswechsel
Für die nächste Legislaturperiode fänden es 45 Prozent gut, wenn die SPD im Saarland alleine regieren würde (schlecht: 37 Prozent; egal: 16 Prozent).
Letztendlich war die Wahl so auch ein klares Votum für einen Führungswechsel vor Ort – und trotz guter Noten für Kanzler, Bundesregierung und das Regierungshandeln in der Ukraine-Krise kein Gradmesser für den Bund: Mit eigenen Themen und Personen, strukturellen Besonderheiten und spezifischen Parteistärken behält die Wahl im kleinräumigen Saarland ihren individuell-regionalen Charakter.