Derzeit sitzen 111 Abgeordnete zuviel im Bundestag. Eine Reform des Wahlrechts ist nötig, doch die Koalition kann sich nicht einigen. Wolfgang Schäuble will ein Deckelungsmodell.
Die geplante und dringend nötige Wahlrechtsreform wird zum Dauerstreitthema in Berlin. Angesichts der zahlreichen Anstrengungen während der Corona-Krise liegt das Thema derzeit erneut brach. Dabei drängt die Zeit. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) plädiert daher für eine "Notlösung", um die Zahl der Wahlkreise vor der nächsten Bundestagswahl zu verringern.
Schäuble denkt an Einmallösung
Die Wahlkreise rechtzeitig vor der Wahl zu reduzieren, hält Schäuble für zeitlich nicht mehr möglich, sagte er dem "Tagesspiegel". Doch verbleibe als Option ein Deckelungsmodell, das eine Höchstzahl von Mandanten vorgebe. Als "Einmallösung" nur für die nächste Wahl lasse sich diese Option "in der aktuellen Situation vertreten".
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Keine Wahlrechtsreform in Sicht
Seit der Bundestagswahl ringen die Parteien um eine Reform des Wahlrechts, um den Bundestag zu verkleinern. Auch eine aktuelle Stunde brachte das Vorhaben nicht voran.
Erneuter Appell an die Fraktionschefs
Ein Deckelungsmodell hatte die SPD im März vorgeschlagen. Demnach sollen bei Überschreiten des Deckels überhängende Direktmandate nicht zugeteilt werden. Schäuble appellierte nun erneut an die Fraktionsvorsitzenden, sich trotz der Corona-Krise zügig auf einen gemeinsamen Vorschlag zu verständigen.
Er habe die Fraktionschefs daran erinnert, "dass ich weiterhin eine Entscheidung des Parlaments erwarte - wenigstens eine Notlösung für die nächste Wahl, damit es am Ende nicht doch 800 Abgeordnete werden".
Sehen Sie hier einen Beitrag zur Wahlrechtsreform:
709 Abgeordnete – nie zuvor hatte der Bundestag so viele Mitglieder. Das ist teuer. Die Parteien müssen jetzt das Wahlrecht reformieren. Doch statt einer Einigung gibt es Streit.
Opposition unterstellt Verschleppungstaktik
Vertreter der Opposition werfen der großen Koalition vor, die Wahlrechtsreform zu verschleppen. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hatte in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" gesagt, die Corona-Krise dürfe nicht "zum Alibi" für das Aussetzen der Reform werden.
Bereits in der vergangenen Legislaturperiode habe die große Koalition eine Reform verhindert, "das sollte sich nicht wiederholen", so Bartsch. Schließlich lägen alle nötigen Informationen seit langem auf dem Tisch.
Grünen-Fraktions-Chefin Katrin Göring-Eckardt sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Es ist unverantwortlich, dass innerhalb der Union die CSU jede Lösung blockiert."
709 statt 598 Abgeordnete
Der Bundestag hat derzeit mit 709 Abgeordneten deutlich mehr als die gesetzlich vorgesehene Regelzahl von 598 Mitgliedern. Experten fürchten, dass der nächste Bundestag nach jetzigem Wahlrecht noch größer werden könnte. Für eine Reform wird die Zeit inzwischen sehr knapp.