Beim Weltwirtschaftsforum in Davos ist diesmal alles anders. Bergfrühling statt Skisaison, weltweite Krisen, Krieg und eine Gästeliste, die die Veränderungen widerspiegelt.
Seit mehr als 50 Jahren tagt das Weltwirtschaftsforum (WEF) im Januar in Davos. Die schneebedeckten Berge sind so etwas wie die atmosphärische Visitenkarte des Weltelitetreffens - und manch hoher Gast hat gern die Skischuhe im Gepäck. In diesem Jahr aber ist alles anders.
Pandemiebedingt musste das Treffen vom Januar in den Mai verlegt werden - für alle Beteiligten mit erheblichen Herausforderungen. Der Wonnemonat bedeutet Zwischensaison in Davos. Die Hotels sind geschlossen, wer kann, fährt in Urlaub. Und es ist die Zeit, in der die Einheimischen Umbau- oder Reparaturarbeiten an ihren Häusern vornehmen dürfen - in der Hochsaison ist Baulärm nämlich strikt untersagt.
Arbeitskräfte für Aufbau fehlen
Es war vor allem deshalb, erzählt Severin Podolak, Projektleiter des diesjährigen WEF, nicht einfach, die notwendigen Arbeitskräfte für den Aufbau zu finden. Und es war eine Herausforderung, die schweren Aufbauten für das Ereignis zu errichten, denn anders als im Januar ist der Boden im Mai nicht gefroren, sondern von der Schneeschmelze so weich, dass zum Beispiel das Medienzentrum auf eigens verlegten Stabilitäts- und Schwerlastplatten aufgestellt werden musste.
Auch der Helikopterlandeplatz für zivile WEF-Besucher am See ist buchstäblich ins Wasser gefallen. Der Boden ist weich und die Schäden des Flugbetriebes wären für die Wiesen erheblich. Statt Rotorengetöse werden die Spaziergänger am See das Geläut der Kuhglocken vernehmen.
Pandemie, Krieg und Klimakrise
Das passt zum Anspruch der Nachhaltigkeit, den die Organisatoren gern betonen. Auch wetterbedingt gibt es weniger Limousinen, die Straßen sind schneefrei, das hat den Aufbau der Konstruktionen deutlich vereinfacht. Die Gäste sind angehalten, die Wege zwischen den Veranstaltungsorten zu Fuß zu laufen - oder mit dem Fahrrad zu fahren. "Bewegt Euch", heißt die Devise und das gilt nicht nur für die Mobilität zwischen den Kongress-Orten.
Weltwirtschaft im Krisenmodus: Vor einem Monat trafen sich die Finanzminister aus aller Welt in Washington.
Die Folgen der Pandemie für die Wirtschaft, die anhaltenden Auswirkungen der No-Covid-Strategie der Chinesen auf die weltweiten Lieferketten, der Krieg in der Ukraine, die drohende globale Hungerkrise, weltweit wachsende Armut - und die Herausforderungen der Energie- und Klimakrise: all das sind Krisen, auf die die Eliten der Welt noch keine Antworten haben - und dringend finden müssen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit neu stärken wollen.
Wissenschaftler: Eliten fehlt Vision für Weltwirtschaft
"Den Führungskräften fehlt ein neues Narrativ, eine Vision, wie die Weltwirtschaft künftig aussehen soll", sagt Tomas Casas, Professor für Internationales Management an der Universität von St. Gallen. Er untersucht, ob Eliten mehr Wert an die Gesellschaft zurückgeben, als sie selbst herausnehmen.
Das Konferenzprogramm wird sich mit all diesen Fragen beschäftigen - und in der Gästeliste spiegeln sich auf bemerkenswerte Weise die geostrategischen Verschiebungen wieder, die die Krisen mit sich bringen. Russen sind in Davos unerwünscht - Chinesen aufgrund der anhaltenden Covid-Krise kaum vertreten. Auffallend die zahlreichen Vertreter aus Indien, Saudi-Arabien und Lateinamerika.
Selenskyj eröffnet Konferenz in Davos
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird die Konferenz per Videobotschaft eröffnen. Die Europäische Union ist mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und zahlreichen Kommissionsmitgliedern stark vertreten. EZB Präsidentin Christine Lagarde ist traditionell vor Ort. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird am Montag vor Ort sein, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird zum Ende des WEF am Donnerstag sprechen.
Und noch etwas wird anders sein in diesem Jahr. Es wird weniger WEF-Empfänge und Partys geben. Die Weltlage, darin sind sich alle einig, bietet wenig Grund zur Heiterkeit.