Sie sind gegen Krieg, gegen den Kreml: mutige Rebellen in Sankt Petersburg. Ihr Kampffeld: Dächer und Hinterhöfe. Ihre Waffen: Sprühdosen und Videos. Ihr Feind: das Regime Putin.
Die Protestgruppe "YAV" sprüht in St. Petersburg Graffitis, klebt Plakate und dreht Videos gegen die russische Kriegspropaganda. Die Gruppe ist eine der letzten Protestgruppen.
Das Leben des Malers und Aktionskünstlers Alexander Voronin ist bestimmt von Widerstand und Sehnsucht. Eine Sehnsucht nach einem Russland, das keine Kriege anführt und in dem Meinungsäußerung zumindest erlaubt, bestenfalls gewünscht, ist. Dafür startet er immer wieder Aktionen, für die mehrere Jahre Gefängnis drohen könnten.
Protest in Russland - aus Überzeugung und Angst
In ihren Rucksäcken tragen Alexander und sein Kumpel Max Sprühdosen für Antikriegs-Graffitis.
Ziel sei es, Angst einzujagen - denen, die protestieren und auch allen anderen, damit sie nicht auf ähnliche Ideen kommen.
Im Stadtzentrum von Sankt Petersburg sind Protestaktionen zu riskant - zu viele Überwachungskameras und Polizisten. Alexander Voronin ist Teil der Künstlergruppe "Yav" - zu Deutsch "Wirklichkeit“, die seit Jahren gegen den russischen Präsident Wladimir Putin protestiert. In einem verlassenen Hof sprüht Alexander Schatten auf die Wände.
Stolz, mutig, mit ungebrochenem Willen wehren sich junge Russ*innen gegen den Krieg, gegen die Diktatur im eigenen Land – und riskieren dabei ihre Freiheit und ihr Leben.
Schatten werden zum Symbol für Flucht
Aus dem Kunstwerk entsteht außerdem ein Video: Darsteller*innen lassen die Schatten zum Leben erwecken, treten aus ihnen heraus, verlassen den Ort, verlassen ihre Heimat.
So werden die Schatten zu einem Symbol Zehntausender Menschen, die in diesen Tagen aus Russland fliehen - wegen zunehmenden Repressionen und Perspektivlosigkeit.
Die Darstellenden machen das aus Überzeugung. Ihnen ist bewusst, dass ihre Aktionen Konsequenzen haben könnten. Schauspielerin Lera sagt: "Für mich ist meine Angst ein Aufruf zur Handlung."
Zensur in Russland: Penis und Hakenkreuz ja, Friedenstaube nein
Nur ein paar Tage nach den Dreharbeiten kehren Alexander und Max zurück in den Hof. Ihre Graffitis: verschwunden. "Schau, die Schatten sind nicht mehr da. Die Penisse nebendran schon", sagt Alexander Voronin. Und Max Degoev meint: "Es ist doch witzig, dass ausgerechnet die Garage mit den Friedenstauben abgebrannt ist, oder?"
So sieht Kriegszensur in Putins Russland aus. Die Straßen kontrolliert die Staatsmacht - Max und Alexander müssen dem so weit wie möglich entkommen, um ihre Antikriegsbotschaften platzieren zu können, ohne dass sie gleich übermalt werden.
Max ist ein so genannter Roofer. Er steigt auf die Dächer Sankt Petersburgs, um dort oben einige seiner Botschaften zu platzieren. Und wenigstens für einen kurzen Moment das Gefühl von Freiheit zu genießen.
Doch ganz gleich, wo sie sprühen - Klartext können sie sich nicht trauen. Die Aussagen sind metaphorisch - ohne Antikriegsparolen und Symbole. Und trotzdem eindeutig.
Die Jugend in Russland leidet an Depression
Zehntausende junge Russen und Russinnen fühlen sich eingesperrt in ihrem Land. Sie fliehen - weil sie Putins Russland nicht mehr aushalten.
Viel mehr Menschen holten sich inzwischen psychologische Hilfe. "Bei jedem zweiten Bekannten von mir wurde eine Depression diagnostiziert", berichtet Alexander.
Nachts suchen Alexander und seine Freunde ihr kleines Stück Freiheit in verlassenen Industriewerken der Stadt. In diese stinkenden und einsturzgefährdeten Gebäude kommt in der Regel keine Polizei. Nur hier überleben ihre Graffitis - und das letzte Stück Hoffnung. Eins steht fest: Sie rebellieren weiter.
-
-
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Liveblog- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.