In der parteiinternen Debatte über die Ausnahmen von Abstandsregeln für Windräder muss sich CSU-Chef Söder Kritik anhören. Ein reformiertes Klimagesetz soll bald in den Landtag.
Wenn Markus Söder ein Thema nicht mag, dann fängt er sein Statement oder eine Pressekonferenz einfach mit etwas ganz anderem an. So auch am Mittwoch. Auf der Tagesordnung: die Ausnahmen von der 10-H-Regel. Sie legt den Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohngebieten fest.
Fast fünf Stunden lang hatte die CSU-Landtagsfraktion darüber debattiert - zum Teil "sehr deutlich", wie es Teilnehmer berichteten. Söder spannte zunächst einen weiten Bogen vom Krieg in der Ukraine über "Bayern als Land der Elektromobilität und der Digitalisierung" bis hin zu seiner bekannten Forderung, die Kernkraftwerke in Deutschland länger laufen zu lassen.
Die Bundesregierung will die Windkraft vorantreiben, in Bayern bremst die Abstandsregel den Bau neuer Anlagen.
CSU-Zustimmung für Ausnahmen beim Windradbau
An die Skeptiker aus den eigenen Reihen waren dann auch gleich mehrere Botschaften in Söders Erklärung gerichtet: "Gegen die Bürgerinnen und Bürger ist die Energiewende nicht möglich", ist eine solche Botschaft. Der CSU-Chef legte außerdem Wert auf die Feststellung, dass man "an der 10-H-Regelung festhalte".
Am Ende einigte man sich in der CSU-Fraktion (fünf Abgeordnete stimmten dagegen) aber doch auf Ausnahmen, die den Bau von "500 bis 800 Windrädern" (Söder) ermöglichen sollen.
Neue Mindestabstände von Windrädern zu Orten
Statt "10-H" sollen die Anlagen künftig auch mit einem Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohnsiedlungen gebaut werden dürfen, etwa entlang von Autobahnen, Eisenbahnstrecken oder in Staatswäldern. Außerdem sollen im Landesentwicklungsplan so genannte Vorranggebiete ausgewiesen werden, die für Windräder geeignet erscheinen.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger vom Koalitionspartner Freie Wähler hatte zuvor in der CSU-Fraktionssitzung für mehr Windenergie geworben und dabei - wie praktisch für Söder - einige verbale Giftpfeile auf sich gezogen, die eigentlich dem CSU-Chef galten.
Die Revanche folgte noch am Abend. In einer Presseerklärung stellten die Freien Wähler etwas kratzbürstig fest, dass sich die CSU mit der Änderung der "starren" 10-H-Regeln eine "peinliche politische Debatte" erspart habe.
Neues Klimaschutzgesetz bald im Landtag
Nun drängt die Zeit. Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber, ebenfalls "Freie Wähler", will in den nächsten sechs Wochen ein überarbeitetes Klimaschutzgesetz in den Landtag bringen. Ziel: Klimaneutralität bis 2040.
Das geht nur mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Im ersten Entwurf des Gesetzes, das vom Bundesverfassungsgericht als unzureichend kritisiert worden war, spielte die Windkraft kaum eine Rolle. Ob die jetzt beschlossenen Ausnahmen die Windkraft stärken, daran gibt es Zweifel. Nicht nur aus der Opposition, die den CSU-Beschluss als "Windkraftverhinderungspolitik" geißelt.
Klimaschützer: Windräder-Kompromiss reicht nicht
So sieht etwa der BUND Naturschutz zwar "erste gute Ansätze". Diese könnten die Windkraft in Bayern aber kaum kraftvoll voranbringen. Die von CSU-Chef Söder veranschlagten 800 Windräder seien bei Weitem nicht ausreichend, um Bayern wirklich unabhängig von Gas, Öl und Kohle zu machen. "Dazu brauchen wir weit mehr als diesen Kompromiss", stellen die Umweltschützer fest.
In der CSU sorgen die 800 Windräder mitunter für laute Seufzer am Telefon. Dies sei typisch für den "Ankündigungspolitiker" Söder, heißt es.
Der Bürgerwindpark Reußenköge bei Husum in Nordfriesland erbringt 300 Megawatt. Die Gemeinde ist mit gleichen Anteilen und Rechten an dem Windpark beteiligt. Er trifft daher auf einheitlichen Zuspruch.
Klar ist: Von heute auf morgen wird kein einziges neues Windrad in Bayern gebaut. Am schnellsten geht wohl eine Änderung der Bayerischen Bauordnung. Hier sind die Fachpolitiker zuversichtlich, dass nach Pfingsten ein Gesetzentwurf vom Landtag beraten werden kann.
Die ersten Bauanträge könnten dann im Herbst gestellt werden.