Iran: Fußballer singen Hymne nicht, weiter Proteste im Land

    Regime verstärkt Vorgehen:Proteste: Blutig im Iran, stumm in Katar

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    Die iranische Nationalelf hat beim Spiel gegen England nicht bei der Hymne mitgesungen. Aktivisten sehen darin ein Zeichen des Protests. Derweil gehen die Proteste im Land weiter.

    Die Spieler der iranischen Nationalmannschaft haben beim WM-Auftaktspiel gegen England die Nationalhymne nicht mitgesungen. Iranische Aktivisten sehen darin eine Geste der Unterstützung für die landesweiten Proteste im Land. Sie hatten vor der Partie an diesem Montag auf eine Solidaritätsbekundung der Spieler gehofft.
    Auch vor Ort nutzten die iranischen Fans die Aufmerksamkeit, um das Mullah-Regime vor aller Welt anzuklagen. "Darum sind wir hier als Stimme unseres Landes. Unser Volk kämpft gerade für Menschenrechte", so eine Frau am Stadion. Das Regime schieße auf Kinder und Studenten.

    Iran-Regime geht hart in Kurden-Gebieten vor

    Währenddessen haben iranische Sicherheitskräfte nach Angaben von Aktivisten in mehreren Städten im kurdischen Nordwesten des Landes das Feuer auf Demonstrierende eröffnet. Es gab zudem Berichte über mehrere Tote, die vorerst jedoch nicht unabhängig bestätigt werden konnten.
    Auf Online-Videos waren Dutzende Protestierende zu sehen, die in Gassen Schutz suchen, während zahlreiche Schüsse in den Straßen hallen. Auf einigen Videos sind Personen zu sehen, die reglos und blutverschmiert auf der Straße liegen, andere zeigen Bewohner, die in einem örtlichen Krankenhaus zur Blutspende anstehen.

    Experte erwartet noch mehr Härte von Mullah-Regime

    Nun will das Regime das militärische Eingreifen verstärken, um gegen aus ihrer Sicht "separatistische Terrorgruppen" vorzugehen.
    "Dass es noch schlimmer werden kann, ist eigentlich die Logik des Regimes", so Walter Posch, Iran-Experte der Landesverteidigungsakademie Wien. Wenn man die gewalttätige Tradition des Regimes kenne, sei davon auszugehen, dass sie "langsam so richtig zuschlagen", so Posch.

    Staatssender unterbricht Live-Übertragung

    Der stumme Hymnen-Protest der Spieler des Iran wurde vom Staatsfernsehen ausgeblendet. Den Spielern könnten nun Konsequenzen drohen. Im Iran war spekuliert worden, dass sie möglicherweise gesperrt werden, sollten sie bei der Hymne schweigen.
    Der iranische Kapitän Ehsan Hajsafi hatte am Sonntag sein Beileid für die trauernden Familien der Opfer im Iran ausgedrückt. Die Mannschaft habe zu akzeptieren, dass die Bedingungen im Land nicht gut und die Menschen nicht glücklich seien. Darüber seien sich die Spieler bewusst.

    Spieler: Nicht von Protesten beeinflussen lassen

    Der iranische Stürmer Mehdi Taremi hatte vor dem Turnier erklärt, die Mannschaft wolle sich in Katar nicht von den Protesten in der Heimat beeinflussen lassen.

    Wir haben auch andere Aufgaben gegenüber der iranischen Gesellschaft, hier aber ist unsere Konzentration auf dem Fußball.

    Mehdi Taremi, iranischer Nationalspieler

    Mindestens 370 Tote seit Protestbeginn im Iran

    Im Iran gehen seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini Mitte September landesweit Menschen gegen die Führung in Teheran auf die Straße. Die 22-Jährige war von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Sie starb kurze Zeit später im Krankenhaus.
    Aktivisten werfen der Polizei vor, Amini misshandelt zu haben. Die Proteste gegen die Sittenpolizei schlugen rasch in Demonstrationen für mehr Frauenrechte und Freiheiten im Iran sowie Demokratie generell um. Die Sicherheitsbehörden gehen äußerst hart gegen die Proteste vor, zuletzt vor allem in den Kurdengebieten im Nordwesten und Westen des Landes. Bei den landesweiten Protesten im Iran sind bislang nach Schätzungen von Menschenrechtlern mindestens 370 Menschen getötet worden. 
    Quelle: dpa, AFP, AP, ZDF
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