Kommentar zur WM: Deutschland - Weltmeister im Politisieren

    Kommentar

    Fußball-WM in Katar:Deutschland - Weltmeister im Politisieren

    von Markus Schaller
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    Das Tamtam um das "One Love"-Symbol geht weiter. Sportlich glänzen in Katar indes andere Mannschaften. Warum können sich die Deutschen nicht einfach auf den Fußball konzentrieren?

    Nancy Faeser am 23.11.2022 in Katar
    Ministerin Nancy Faeser mit "One Love"-Armbinde in Katar.
    Quelle: dpa

    An den Missbrauch internationaler Großveranstaltungen wie der Olympischen Spiele durch die Politik haben sich Sportler und Sportfans längst und schmerzlich gewöhnt. So gehörte beispielsweise in den 1980er Jahren der wechselseitige Boykott der Spiele zum Repertoire der Mächtigen in Ost und West.
    Wie seit dem FIFA-Beschluss pro Katar erwartet, ist jetzt auch die Fußball-Weltmeisterschaft unter die Räder der Politik geraten, so heftig wie nie zuvor.
    Und Deutschland ist diesmal ganz vorne dabei beim Politisieren der Sportveranstaltung, beim Brüskieren der Gastgeber, beim Lamentieren über Unrecht und Unfreiheit in der Autokratie.

    Schwer zu ertragen für freiheitlich-demokratische Gesellschaften

    Aufhänger sind einmal mehr die Menschenrechte, mit denen die Scheichs in Katar so gar nichts am Hut haben - weder auf einer Baustelle noch was persönliche Neigungen angeht. Das ist, keine Frage, für die freiheitlich-demokratischen Gesellschaften in Europa schwer zu ertragen und daher zurecht Gegenstand fortdauernder Kritik.
    Aber bitte im politischen Raum und nicht im Stadion, wo es allein um den sportlichen Wettkampf gehen sollte. Ob es klug ist, dass sich Innenministerin Nancy Faeser dort demonstrativ mit der "One Love"-Armbinde zeigt, wird sich noch zeigen. Erfahrungsgemäß knickt kein Diktator ein, wenn er öffentlich vorgeführt wird.
    Auf wirtschaftlicher Ebene werden solche Aktionen schnell zur Heuchelei, wenn man sich die Menschenrechtslage in Ländern anschaut, aus denen wir alle möglichen Rohstoffe und Waren beziehen: Öl, Kleidung, Smartphones, Kaffee, Bananen oder selbst die Metalle für Windräder.
    Noch im März war die Situation in Katar für Vizekanzler Robert Habeck kein Hindernis, um die Scheichs um Gas anzubetteln. Am Vorabend des ersten Deutschland-Spiels riet er dann aber den sich heillos ins Politische verirrten Nationalspielern, es auf eine Disqualifikation ankommen zu lassen.

    Keine Politik auf dem Platz

    Die deutsche Elf hatte sich da längst ins Abseits gestellt. Denn auf dem Platz haben politische Symbole nichts zu suchen, sind sie zurecht verboten. Eine WM oder selbst die Bundesliga kann nur funktionieren, wenn das Politische außen vor bleibt.
    Anders könnten sich die Völker der Welt dort auch gar nicht friedlich begegnen; zu unterschiedlich sind ihre Weltanschauungen, ihre wirtschaftlichen Abhängigkeiten, ihr Glaube, ihre Regierungssysteme. Euphorisch jubelnde Mexikaner oder diszipliniert ausrastende Japaner zeigen uns, um was es in Katar eigentlich geht: um den Spaß am Fußball.

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    Deutschlands moralisierende Symbolpolitik

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