Es klang gut im Wahlkampf: 2021 versprach die SPD 400.000 neue Wohnungen im Jahr. Inzwischen weiß jeder: Dieses Ziel kann SPD-Bauministerin Klara Geywitz nicht mehr erreichen.
Am 10. Juni 2021 wird der SPD-Kanzlerkandidat pathetisch: "Wohnen ist eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit", sagt Olaf Scholz auf dem Deutschen Mietertag. Es sei Zeit, die Wohnungsnot in Großstädten zu überwinden und mehr zu bauen. Die Trendwende auf dem Wohnungsmarkt sei erreicht. Erstmals seit Jahren liege die Zahl neuer Wohnungen pro Jahr wieder über 300.000.
Doch das reiche nicht. "Wir brauchen einen echten neuen Aufbruch für das Bauen", werbetextet Scholz 100 Tage vor der Bundestagswahl. Scholz verspricht 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Manche handelten bei der Frage energisch - so wie er. Andere nicht. Scholz sagt:
Zahl neuer Wohnungen sinkt 2021 wieder
Ein Jahr später kann von einer Trendwende auf dem Wohnungsmarkt keine Rede mehr sein. Die Zahl neuer Wohnungen ist im vergangenen Jahr wieder gesunken. 2021 wurden laut Statistischem Bundesamt nur noch rund 293.000 neue Wohnungen gebaut, ein Minus von rund vier Prozent. 2021 liegt Deutschland in Sachen Neubau wieder auf dem Niveau von 2019.
An fehlenden Baugenehmigungen liegt das nicht: Fast 850.000 Wohnungen sind zwar genehmigt, aber noch nicht fertig gebaut - der höchste Wert seit 1996. Das liegt auch an aktuellen Problemen der Bau-Industrie: Ukraine-Krieg, Lieferengpässe, höhere Preise etwa bei Beton-Stahl.
Die Bau-Industrie hat Schwierigkeiten: Lieferengpässe, steigende Preise, höhere Zinsen. Neubau-Projekte sind immer schwerer zu kalkulieren.
Geywitz kann Neubau-Ziel nicht mehr halten
Politisch sind das jetzt die Probleme von Klara Geywitz. 2019 bewarb sie sich mit Olaf Scholz vergeblich um den SPD-Vorsitz. 2021 wurde sie stattdessen Bauministerin in seinem Kabinett. Dass 2021 nur noch 293.000 neue Wohnungen gebaut wurden, könne sie als Ministerin "nicht zufrieden stellen", sagt sie ZDFheute.
Zum Ziel von 400.000 neuen Wohnungen sagt sie nichts. Nur so viel: Das zu erreichen, sei "nicht leichter geworden". Wenn es schon 2021 ohne den Ukraine-Krieg nicht geklappt hat - wie soll es dann 2022 klappen? In Berlin ist es ein offenes Geheimnis, dass Geywitz das versprochene Ziel nicht erreichen kann. Nur sagen darf sie es nicht.
Linke kritisiert fehlende Sozialwohnungen
Das macht dafür Peter Hübner. Der Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie sagt, er rechne für 2022 mit 320.000 neuen Wohnungen. Es müsse niemandem peinlich sein, die Zahl von 400.000 einzukassieren. Denn im aktuellen Umfeld sei das Ziel kaum zu schaffen. "Wenn wir es 2022 nicht erreichen, dann erreichen wir es 2023 oder 2024."
Die baupolitische Sprecherin der Linken, Caren Ley, kritisiert, dass sich SPD, Grüne und FDP klammheimlich bereits von dem 2021 versprochenen Ziel verabschiedet haben - vor allem, weil damit auch das Ziel verfehlt werde, pro Jahr 100.000 neue Sozialwohnungen zu bauen. "Dafür reicht die Förderung des Bundes bei weitem nicht", sagt sie ZDFheute. Auch von dem vor der Wahl versprochenen Mietenstopp sei inzwischen keine Rede mehr. Ihr Fazit:
Mietenirrsinn, Wohnungsnot, Verdrängung: 2021 prognostizierte ZDF-Reporterin Andrea Maurer, dass auf die neue Bauministerin viel Arbeit zukommen wird.