Scholz im ZDF-Sommerinterview:Strompreisbremse "so schnell wie möglich"
von Dominik Rzepka
04.09.2022 | 14:22
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Kanzler Scholz verspricht eine Deckelung des Strompreises "so schnell wie möglich". Zur Finanzierung würden Gewinne im Strommarkt abgeschöpft, sagt er im ZDF-Sommerinterview.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die baldige Einführung einer Strompreisbremse in Aussicht gestellt, ohne dabei allerdings konkret zu werden. "Das kommt jetzt so schnell wie möglich", sagte Scholz im ZDF-Sommerinterview. Finanziert werde eine solche Deckelung des Basisverbrauchs beim Strom durch eine neue Maßnahme.
Die Regierung werde Zufallsgewinne, die auf dem Strommarkt erzielt würden, abschöpfen. Auf die Frage, ob die von der FDP abgelehnte Übergewinnsteuer jetzt "Zufallsgewinnsteuer" hieße, sagte Scholz:
Zufallsgewinne, Übergewinne, es sind jedenfalls Gewinne, die nichts mit dem zu tun haben, was man eigentlich wirtschaftlich tut.
Olaf Scholz, Bundeskanzler
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigt die baldige Einführung einer Strompreisbremse an: Sie komme "so schnell wie möglich", sagte Scholz im ZDF-Sommerinterview.04.09.2022 | 2:11 min
Scholz rechnet nicht mit Blackouts im Winter
Wie viel Geld der Staat dadurch einnehme, wollte Scholz nicht sagen. "Ich will mich ein bisschen zurückhalten, was konkrete Prognosen betrifft, wie viel dabei erlöst wird." Das hänge von der Entwicklung auf den Strommärkten ab. Aber:
Wenn dort solche Zufalls-, Übergewinne in großem Maßstab anfallen, haben wir viele, viele, viele Milliarden, um sie den Bürgerinnen und Bürgern zurückzugeben.
Olaf Scholz, SPD
In dem Interview erklärt er schlechte Umfragewerte für die Ampel mit den "schwierigen Zeiten", in denen sich das Land befinde. Zu seinen eigenen schlechten Zustimmungswerten sagt Scholz, er ertrage das.
Dass es im Winter zu Blackouts komme, wie von CDU-Chef Friedrich Merz befürchtet, sieht Scholz eher nicht. Nach menschlichem Ermessen werde das nicht passieren. Definitiv ausschließen wollte er das allerdings auch nicht.
Koalition einigt sich auf weitere Entlastungen
Zuvor hatten die Spitzen der Ampel-Koalition weitere Entlastungen vorgestellt. Sie sehen unter anderem Einmalzahlungen in Höhe von 300 Euro für Rentnerinnen und Rentner vor und 200 Euro für Studierende. Insgesamt soll das sogenannte Entlastungspaket ein Volumen von 65 Milliarden Euro haben.
Rentnerinnen und Rentner bekommen einmalig 300 Euro, Studierende 200 Euro. Lesen Sie hier, was im dritten Entlastungspaket der Ampel-Koalition steht.
Bei der Nachfolge für ein 9-Euro-Ticket bleibt die Koalition vage. Zwar soll ein bundesweit gültiges Ticket kommen. Wieviel es kosten wird, steht aber noch nicht fest. Im Gespräch ist ein Preis von 49 bis 69 Euro, das Ticket muss wohl abonniert werden. Bedingung ist aber, dass sich die Länder an der Finanzierung beteiligen.
Privathaushalte sollen die Strommenge für einen Basisverbrauch zu einem vergünstigten Preis erhalten. Für kleine und mittlere Unternehmen mit Versorgertarif soll dies auch gelten. Finanziert werden soll die Preisbremse mit Einnahmen durch eine neue Erlösobergrenze für Energieunternehmen. Zudem sollen die beim Strompreis relevanten, voraussichtlich steigenden Netzentgelte damit bezuschusst werden.
Die am 1. Januar anstehende Erhöhung des CO2-Preises um fünf Euro pro Tonne wird um ein Jahr auf 2024 verschoben, auch die Folgeschritte sollen sich verschieben. Heute liegt der CO2-Preis bei 30 Euro pro Tonne.
Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro von der Rentenversicherung erhalten. Sie waren bei der ersten Pauschale für Berufstätige leer ausgegangen. Wegen der Steuerpflichtigkeit wirkt die Pauschale bei niedriger Rente stärker.
Studierende und Berufsfachschülerinnen und -schüler sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Der Bund will mit den Ländern eine schnelle Auszahlung beraten.
Ein weiterer Heizkostenzuschuss soll im Herbst an die Wohngeldbeziehenden gehen. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt. Im Zuge der für Jahresbeginn geplanten Wohngeldreform soll er dann zur dauerhaften Komponente des Wohngelds werden. Zudem soll der Kreis der Wohngeldberechtigten auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert werden. Ende 2020 hatten laut Statistik-Amt 618.200 Haushalte Wohngeld bezogen.
Bedürftige sollen mit der für 1. Januar geplanten Weiterentwicklung des heutigen Hartz-IV-Systems zu einem Bürgergeld um 50 Euro höhere Regelsätze erhalten - etwa 500 Euro monatlich. Dies soll durch einen "Paradigmenwechsel" (Bundeskanzler Olaf Scholz) geschehen: Bei der Berechnung der Sätze soll künftig schon die zu erwartende Inflation im Jahr der Anpassung berücksichtigt werden - bisher wurden nur zurückliegende Werte angesetzt.
Beschäftigung knapp über der Mini-Job-Schwelle mit geringeren Sozialbeiträgen soll erleichtert werden. Die sogenannten Midi-Jobs sollen künftig monatlich bei bis zu einem Verdienst von 2.000 Euro liegen können.
48 Millionen Bürgerinnen und Bürger sollen bei der Steuer entlastet werden. Dazu soll an Stellschrauben des Einkommensteuertarifs gedreht werden. Steuererhöhungen infolge der Inflation sollen verhindert werden. Denn durch die sogenannte Kalte Progression droht vielen Menschen unter anderem, dass ihre Kaufkraft sinkt.
Es soll zum 1. Januar um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind angehoben werden. Die Erhöhung soll für 2023/2024 gelten. Heute beträgt das Kindergeld jeweils 219 Euro für das erste und zweite Kind. Beim Kinderzuschlag für Familien mit niedrigem Einkommen soll der Höchstbetrag ab 1. Januar auf 250 Euro monatlich steigen.
Der Bund bietet Arbeitgebern und Beschäftigten an, dass er auf Steuern und Abgaben verzichtet, wenn Unternehmen zusätzliche Zahlungen an ihre Beschäftigten bis zu 3.000 Euro leisten.
Energieintensive Unternehmen, die Kostensteigerungen nicht weitergeben können, sollen mit einem neuen Programm unterstützt werden. Der Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern soll um ein weiteres Jahr verlängert werden. Bestehende Unternehmenshilfen - unter anderem mit zinsgünstigen Krediten und erweiterten Bürgschaften - sollen bis 31. Dezember verlängert werden. Geprüft werden Schritte für Unternehmen, die aufgrund von Gasmangel und hoher Energiepreise die Produktion temporär einstellen müssen.
Nach dem 9-Euro-Ticket soll ein Nahverkehrsticket eingeführt werden - bundesweit nutzbar, digital buchbar, als Abo-Ticket. Preis: 49 bis 69 Euro. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro dafür zuschießen, wenn die Länder mindestens ebenso viel zahlen.
Ein wegen des Corona-Abschwungs eingeführter erleichterter Zugang zur Kurzarbeit soll verlängert werden - ebenso die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf sieben Prozent. Mieterinnen und Mieter sollen gegebenenfalls vor einer Überforderung durch steigende Nebenkostenvorauszahlungen geschützt werden. Strom- und Gassperren sollen vermieden werden.
Steuerzahler sollen ab 1. Januar ihre Rentenbeiträge voll absetzen können; Renten sollen künftig in der Auszahlungsphase besteuert werden. Mit einer Senkung der Umsatzsteuer auf Gas zum 1. Oktober auf sieben Prozent soll die Gasumlage ausgeglichen werden. Die bis Ende 2022 verlängerte Homeoffice-Pauschale soll entfristet und verbessert werden.
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