Finanzielle Hürden für Migranten: Von Basiskonto bis Kredit
Zugang zu Konten und Krediten:Finanzielle Hürden für Migranten überwinden
von Lisa Daschinger
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Die finanzielle Integration in ein neues Land gleicht oft einem Hindernislauf. Dabei ist ein eigenes Konto für die gesellschaftliche Teilhabe entscheidend. Was zu tun ist.
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Ein Bankkonto ist die Grundlage, um Löhne zu empfangen, Rechnungen zu begleichen oder Verträge wie einen Mietvertrag abzuschließen. Seit 2016 garantiert das Basiskonto - eingeführt durch eine EU-Richtlinie - allen Menschen in Deutschland den Zugang zum Bankensystem, unabhängig von Einkommen, Aufenthaltsstatus oder Wohnsituation.
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Zugang zu Bankkonten
Mit dem Basiskonto können auch Asylsuchende oder Menschen ohne festen Wohnsitz grundlegende Dienstleistungen wie Ein- und Auszahlungen, Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen nutzen - allerdings nur, solange ausreichend Guthaben auf dem Konto vorhanden ist, da Überziehungen in der Regel nicht erlaubt sind.
Identitätsnachweis: Gültige Dokumente wie Reisepass, Personalausweis oder Aufenthaltsgestattung
Alter: Antragstellende müssen mindestens 18 Jahre alt und geschäftsfähig sein.
Adresse: Eine Anschrift, unter der man postalisch erreichbar ist, genügt - auch ohne festen Wohnsitz (zum Beispiel über Freunde, Familie oder Beratungsstellen).
Trotz dieses rechtlichen Anspruchs wird das Basiskonto von vielen geflüchteten Menschen nur selten genutzt, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zeigt. Obwohl die Studie bereits einige Jahre alt ist, stellt sie bis heute eine der wenigen Untersuchungen zum Finanzverhalten geflüchteter Menschen in Deutschland dar. Sie kam zu dem Ergebnis: Von den 31 befragten syrischen Geflüchteten eröffneten zwar alle ein Konto, doch einige nutzen es kaum.
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Mangelndes Vertrauen ins Bankensystem
Ein zentraler Grund dafür, dass einige Geflüchtete das eigene Konto kaum nutzten, sei das mangelnde Vertrauen in das Bankensystem, so Antonia Grohmann in ihrem Bericht zur Studie. Viele Teilnehmende gaben an, ihr gesamtes Einkommen einmal im Monat abzuheben und zu Hause aufzubewahren. "In einigen Heimatländern bewahren viele Menschen ihr Geld traditionell zu Hause auf, statt Bankdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, da Bankkonten häufig nicht verfügbar sind", erklärt Antonia Grohmann, Associate Professor an der Aarhus Universität.
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Kultureller Unterschied
Dieses fehlende Vertrauen ist eng mit kulturellen Unterschieden im Umgang mit Geld verknüpft. "Bei einigen werden in den Herkunftsländern größere Anschaffungen traditionell bar bezahlt oder innerhalb des Familiennetzwerks finanziert", erklärt Grohmann. Dieser Ansatz steht im starken Kontrast zu den in Deutschland üblichen, strukturierten Finanzprodukten wie Konten, Krediten oder Sparplänen.
Finanzielle Bildung und Sprache: Wissen als Schlüssel zur Teilhabe
Ein weiteres Hindernis ist das fehlende Verständnis für das Finanzsystem. Die Studie von Grohmann zeigt, dass nur etwa ein Drittel der befragten syrischen Geflüchteten grundlegende finanzielle Fragen, etwa zu Zinsen oder Aktien, beantworten konnte.
Diese Wissenslücken sind im Übrigen kein ausschließliches Problem von Migrant*innen. Auch innerhalb der deutschen Bevölkerung fehlt es häufig an Grundlagenwissen: Laut einer aktuellen Umfrage des Bankenverbandes wissen viele Jugendliche beispielsweise nicht, was eine Aktie ist, und ein Drittel kennt den Begriff "betriebliche Altersvorsorge" nicht.
Hinzu kommen sprachliche Barrieren, die den Zugang zusätzlich erschweren. Finanzbegriffe sind selbst für Muttersprachler*innen häufig komplex; für Migrant*innen ohne ausreichende Deutschkenntnisse stellen sie oft eine unüberwindbare Hürde dar.
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Kreditaufnahme: Eine der größten Hürden
Doch selbst mit einem grundlegenden Verständnis des Finanzsystems bleibt der Zugang zu Dienstleistungen wie Krediten für viele Migrant*innen eine Herausforderung. Um Kredite zu gewähren, verlangen Banken stabile Einkommensnachweise, einen festen Wohnsitz und vor allem eine Schufa-Historie.
Doch wer erst seit Kurzem in Deutschland lebt, kann viele dieser Anforderungen häufig nicht erfüllen. Ihre Kreditwürdigkeit bleibt damit unbewertet, was dazu führt, dass Kreditanfragen oft abgelehnt werden. Besonders herausfordernd wird dies in Situationen, in denen dringend finanzielle Mittel benötigt werden - etwa um sich selbstständig zu machen.
Verbraucherzentralen: Bieten unabhängige Beratung zu Bankkonten, Verträgen, Versicherungen und Krediten.
Mikrofinanzinstitute: Vergabe von Kleinkrediten, etwa über Mein Mikrokredit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Bildungsprogramme: Initiativen wie #Finanzisch oder WISO.Finanzen vermitteln grundlegendes Finanzwissen.
Gemeinnützige Vereine: Organisationen wie Caritas und AWO unterstützen bei der Eröffnung von Basiskonten und bei finanziellen Anträgen.
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