Psychisch kranke Eltern: Unterstützung für betroffene Kinder

Angebote für betroffene Familien:Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern

von Anja Braunwarth
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Kinder von psychisch kranken Eltern leiden später selbst vermehrt an psychischen Krankheiten. Mit rechtzeitiger Hilfe und Unterstützung der Familien lässt sich die Gefahr mindern.

Kinder psychisch kranker Eltern
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Nach Schätzungen von Experten leiden bis zu 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland an einer psychischen Erkrankung, etwa die Hälfte von ihnen hat Kinder. Auch deren Psyche gerät durch die elterliche Erkrankung in ernste Gefahr, erklärt Rieke Oelkers-Ax, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom Familientherapeutischen Zentrum Neckargemünd.

Eine psychische Erkrankung der Eltern ist der wichtigste Risikofaktor für Kinder, selbst eine psychische Erkrankung zu entwickeln.

Priv.-Doz. Dr. Rieke Oelkers-Ax, Kinder- und Jugendpsychiaterin

Vor allem in den ersten drei Lebensjahren können psychische Krankheiten und Suchterkrankungen der Eltern die Entwicklung der Kinder ungünstig beeinflussen. Dabei spielen auch Schwere und Verlauf der elterlichen Erkrankung eine Rolle.
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Die Gefahr für Kinder, selbst zu erkranken, steigt je nach Art der elterlichen Erkrankung. So haben Kinder von einem Elternteil mit einer Depression gegenüber Kindern von psychisch gesunden Eltern ein etwa dreifach erhöhtes Risiko, selbst eine eigene Depression zu entwickeln. Sind beide Elternteile depressiv, steigt das Risiko auf etwa 70 Prozent. Im Falle einer Schizophrenie liegt es mit einem betroffenen Elternteil bei zehn bis 15 Prozent, sind beide Elternteile betroffenen, bei 35 bis 50 Prozent.

Zudem ist für Kinder psychisch kranker Eltern auch das Risiko größer, eine andere psychische Erkrankung als ihre Mütter oder Väter zu bekommen, zum Beispiel eine Angststörung statt einer Depression. Als Grund dafür wird ein komplexes Zusammenspiel von genetischen und äußeren Faktoren vermutet. Dazu gehört etwa, dass Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder krankheitsbedingt nicht wahrnehmen oder erfüllen können.

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Wie Kinder auf die Krankheit der Eltern reagieren

Je nach Art und Ausmaß der elterlichen Erkrankung fühlen sich die Kinder unterschiedlich stark belastet. Die Anzeichen dafür variieren ebenfalls sehr. Haben die Eltern eine schlechte Phase und nehmen kaum noch am Alltag teil, wollen manche Kinder unbedingt helfen und überfordern sich damit teilweise. Andere ziehen sich erschrocken zurück, einige werden aus Hilflosigkeit aggressiv. Fast alle haben Angst, für die Lage mitverantwortlich zu sein.

Wichtig ist, dass das Kind die Botschaft bekommt, dass es nicht schuld ist, dass die Situation nichts mit ihm zu tun hat.

Priv.-Doz. Dr. Rieke Oelkers-Ax, Familientherapeutisches Zentrum Neckargemünd

Die Kinder müssten auch lernen, dass das betroffene Elternteil genauso wenig Schuld hat, sondern dass "das etwas von außen ist", erklärt Oelkers-Ax. Damit sie das verstehen, ist oft fachliche Hilfe nötig.
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Eltern und Kinder im Stigma gefangen

Psychische Erkrankungen sind nach wie vor mit einem Stigma behaftet. Sowohl Eltern als auch Kinder versuchen in vielen Fällen, die Probleme zu verheimlichen. Gerade den Kindern gelingt das oft recht gut.

Manche Kinder funktionieren lange sehr, sehr gut im Außen, sodass alle sagen, dem Kind geht es doch toll.

Priv.-Doz. Dr. Rieke Oelkers-Ax, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin

Doch je früher betroffene Kinder Unterstützung erhalten, umso besser lässt sich ihre psychische Gesundheit erhalten und ihre Widerstandskraft stärken.
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Wo betroffene Familien Hilfe finden

Meist sind es die Kinderärzte, denen Änderungen im Verhalten der Kinder auffallen oder denen davon berichtet wird. Außerdem wissen viele Hausärzte von den Vorerkrankungen der Eltern. Sie können dann über passende Unterstützungsangebote informieren oder an entsprechende Organisationen wie das Nationale Zentrum Frühe Hilfen weitervermitteln. Dort können Experten herausfinden, welche Art Hilfe im Einzelfall nötig ist. Manchmal reicht bereits eine stabile Bezugsperson aus dem Umfeld der Kinder, um sie vor Schaden zu bewahren. In anderen Fällen sind Therapien unumgänglich.

Maßgeschneiderte Therapieangebote für Familien

Experten können für jede Familie individuell zugeschnittene, kurz- oder langfristige Konzepte entwickeln. Dazu gehören psychiatrische und psychotherapeutische Hilfen für die gesamte Familie, sozialpädagogische Unterstützung, etwa in der Schule, aber auch spezielle Projekte für Kinder, zum Beispiel in Sportgruppen.

Die Multifamilientherapie ist eine Gruppentherapie für mehrere Familien gleichzeitig. Sie arbeitet mit verschiedenen Elementen, zum Beispiel aus der Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologischen Ansätzen. Dabei finden die Bedürfnisse und Fähigkeiten aller Beteiligten Berücksichtigung und es wird versucht, Lösungen für die individuell bestehenden Belastungen zu finden.

Meist können fünf bis sieben Familien an der Therapie teilnehmen. Die gemeinsame Arbeit regt den Austausch untereinander an. Die Familien können sich gegenseitig Mut machen und lernen, dass Veränderung gelingen kann. Zugleich gewinnen sie aus den Rückmeldungen der anderen wertvolle Tipps für den Umgang mit ihren eigenen Problemen.

Viele Therapien finden ambulant in Tageskliniken statt. Als Vorteil nennt Nicola Bopp, Leiterin des Pflege- und Erziehungsdienstes am Familientherapeutischen Zentrum Neckargemünd, dass die Familien abends wieder in ihre vertraute Umgebung zurückkehren.

Da können die Familien einfach die Dinge ausprobieren, die sie hier gelernt haben im Alltag.

Nicola Bopp, Familientherapeutisches Zentrum Neckargemünd

Je nach Art und Schwere der psychischen Erkrankung kann es aber auch nötig sein, die betroffenen Eltern zunächst ambulant oder stationär alleine zu behandeln. Sind sie stabilisiert, kann sich eine gemeinsame Therapie anschließen.

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