Ihre Eltern konnte die ehemalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Savchenko nach Deutschland holen. Nun bangt sie um ihre Brüder und weitere Familienmitglieder in der Ukraine.
Ihr Vater wollte nicht weg, er wollte die Söhne nicht zurück, sein Land nicht im Stich lassen. Es brauchte viel Überredung von Tochter Aljona Savchenko, bis er sich schließlich doch auf den Weg machte. So erzählte es die Eiskunstlauf-Olympiasiegerin am Samstagabend im aktuellen sportstudio. Vier Tage dauerte die Reise des Vaters aus dem Heimatort der Familie nahe Kiew bis nach Deutschland. Nun weiß Savchenko zumindest ihn in Sicherheit.
Die Flucht? "Es war einfach schrecklich, wie ein Horror-Movie", berichtete die 38-Jährige. Sie ist in der Ukraine geboren, in der Nähe von Kiew aufgewachsen, hat dort auf einem zugefrorenen See das Eislaufen gelernt und ist zur Juniorenweltmeisterin im Paarlaufen aufgestiegen. Ihre Mutter ist schon seit Januar bei ihr. Der Vater habe nun auf seiner Flucht "Schießerei ohne Ende" erlebt.
Savchenkos Werdegang in Deutschland
Aljona Savchenko kam 2003 des Sports wegen nach Deutschland. Mit Robin Szolkowy als Partner und Ingo Steuer als Trainer arbeitete sie in Chemnitz am Aufstieg in die Weltspitze. Der gelang, Savchenko und Solkowy wurden fünfmal Weltmeister, viermal Europameister und dreimal Olympia-Dritte - für Deutschland.
Doch der große Traum war immer der Olympiasieg, ihn zu verwirklichen gelang nicht. Und so fühlte sich Savchenko trotz all der großen Erfolge unvollendet, als Solkowy seine Karriere 2014 beendete.
Olympia-Gold mit Massot
Sie wagte mit dem Franzosen Bruno Massot als Partner einen Neuanfang. Steuerte mit aller Kraft und dem ihr eigenen unerbittlichen Ehrgeiz auf Olympia 2018 zu. Weil Massot mit den rigiden Methoden von Ingo Steuer nicht zurechtkam, wechselte Savchenko sogar Wohnort und Trainer.
Das Duo bereitete sich in Oberstdorf unter Alexander König auf die Pyeongchang-Spiele 2018 vor. Dort brachten Savchenko und Massot nach einem Patzer von ihm im Kurzprogramm eine nahezu perfekte Kür aufs Eis und wurden Olympiasieger - endlich. Savchenko hätte wohl auch danach weitergemacht. Doch Massot kam zu dem Schluss, dass sie es niemals würden besser machen können.
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Savchenkos Brüder kämpfen in der Ukraine
2019 wurde Aljona Savchenko Mutter einer Tochter. Heute arbeitet sie in Oberstdorf als Trainerin. Diese Arbeit ist es, die ihr aktuell Kraft gibt. "Es ist wichtig, in dieser Situation die positiven Gedanken von den Kindern zu bekommen", sagte sie am Samstag. Ihre Brüder packen in der Ukraine an, wo sie können.
"Sie dürfen nicht raus, aber sie wollen auch nicht. Sie sagen, wir verteidigen das Land, in dem wir geboren sind. Wir helfen den Menschen, die Hilfe brauchen. Und wir werden gewinnen", erzählte die Schwester in Deutschland: "Mit so einem Mut und so einem Stolz gehen sie voran, mir kommen immer Tränen in die Augen."
Savchenko: "Wir sind so machtlos"
Einer ihrer Brüder sei Arzt, der andere studiere Medizin. Aktuell könnten sie über Telefon und die Sozialen Medien noch Kontakt halten. Ein anderer Teil ihrer Familie allerdings lebe in Donezk, und der Kontakt dorthin sei seit zwei Wochen abgebrochen: "Sie waren in Bunkern. Aber wir wissen nicht, ob sie noch leben."
Savchenko selbst hilft in Oberstdorf, Spenden zu sammeln. Und sagte: "Wir sind so machtlos, das macht mich am meisten traurig. Wir können medizinisch helfen, wir können alles geben – aber wir können keine Leben schenken."
Russische Propaganda
Betroffen mache sie auch: "Viele russische Athleten sind halbe Ukrainer. Das Schlimme ist jetzt, dass man selbst Menschen, die Familie in der Ukraine haben, nicht mehr als Menschen erkennen kann. Sie sind von der Propaganda besessen." Sie kenne russische Sportler, deren Mutter oder Vater aus der Ukraine stammten und die dennoch nichts hören wollten vom aktuellen Leid durch den Krieg.
"Es ist so traurig, dass dieser Hass zwischen den Menschen entsteht. Ich hoffe, dass wir uns irgendwann wieder normal miteinander unterhalten können. Aber man kann im Moment nicht in die Zukunft sehen und sagen, wie das wird. Heute müssen wir darüber nachdenken, wie es morgen wird."
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