Die NFL will die Expansion des American Football pushen und mischt den Sport in Deutschland auf. Die Vergabe offizieller Liga-Spiele an eine Partnerstadt ist nur der Anfang.
Start der Super-Bowl-Woche in Los Angeles: Überraschende Stille im Convention Center in Downtown. Corona hinterlässt auch bei der National Football League Spuren. Der Mitmach-Parkour "NFL Experience" ist sonst ein echter Publikumsrenner, doch vor der 56. Ausgabe des großen Finales im American Football ist er an einigen Tagen geschlossen.
Mehrere deutsche Städte hoffen auf NFL-Spiele
Auch nebenan im Media Center wird wohl weniger los sein als üblich, wenn Liga-Chef Roger Goodell am Mittwoch zur Pressekonferenz lädt. Die Aufmerksamkeit der deutschen Community ist dem Commissioner aber sicher. Denn vermutlich wird er bekanntgeben, in welcher Stadt künftig echte NFL-Spiele ausgetragen werden.
Düsseldorf, Frankfurt und München sind im Rennen, der Sieger wird mehr bekommen als nur eine Partie pro Jahr als kurzes, singuläres Erlebnis. "Es bedeutet nicht: Der Zirkus kommt in die Stadt und zieht dann weiter. Ganz im Gegenteil", verspricht Alexander Steinforth. Seit Anfang Februar leitet er als Geschäftsführer Deutschland diesen Teil der weltweiten NFL-Expansion.
London gilt als Vorreiter
Schon im Herbst soll der Startschuss fallen, so die Pandemie es zulässt. Mit einem Vertrag über zunächst vier Jahre. Die Partner-City werde "Frontrunner" für alle NFL-Aktivitäten im neuen Markt. In der Stadt und ihrer Region solle ein "positiver Impact" geschaffen werden für möglichst großes Football-Wachstum.
London dient als Vorbild. Dort startete die NFL 2007 auch mit nur einer Partie. Vor Corona waren es schon bis zu vier pro Jahr. Heute betreibt die Liga dort sogar eine Talent-Akademie.
Ziel: Mannschaftssportart Nummer zwei
Dank der Aufstockung der regulären NFL-Saison um einen Spieltag steigen die Chancen auf mehr Partien in Deutschland. Allein in Sachen Stadionneubau, wie ihn die NFL mit dem englischen Premier-League-Klub Tottenham Hotspur vorexerzierte, bremst Steinforth. "Für Deutschland wäre das der fünfte Schritt vor dem ersten." Zunächst reiche es, ein Stadion zum Spieltag "NFL-ready" zu machen.
Strategisch denkt die NFL längst weiter. Für die nächsten etwa zehn bis fünfzehn Jahre hat sie sich große Ziele gesteckt: "Wir wollen Mannschaftssport Nummer zwei werden in Deutschland - hinter dem Fußball", sagt Steinforth. Und: "American Football muss in Deutschland ankommen. Das übergeordnete Ziel ist, die Fanbasis zu verbreitern."
Jugendliche sollen zum Spielen animiert werden
Gerade bei jungen Leuten ist der Sport angesagt. Damit es aber nicht beim passiven TV-Erlebnis bleibt, will die Liga in Grassroots-Aktivitäten investieren. Über Flagfootball sollen Jugendliche zum Spielen animiert werden. Die Stadt Frankfurt hat in ihrer Bewerbung eine halbe Million Euro für Jugendarbeit zugesagt. Fast die gleiche Summe dürfte die NFL zuschießen.
"Wir wollen aktiv daran mitwirken, dass wir in zehn Jahren mehr Deutsche in der NFL haben", sagt Steinforth. Das würde die ambitionierten wirtschaftlichen Ziele befeuern, selbst wenn kein Dirk Nowitzki des Footballs daraus entspringt.
19 Millionen potenzielle NFL-Fans in Deutschland
Die TV-Quoten steigen seit Jahren. Beim Streaming-Angebot "Gamepass" liege Deutschland vor Großbritannien und beim Merchandising setze die NFL nur in den USA noch mehr um. Studien zufolge gebe es in Deutschland 19 Millionen potenzielle Footballfans. Die gelte es nun vors TV zu locken, zum "Madden"-Spiel an die Konsole oder in den Online-Shop der NFL.
Dafür hat die NFL die hiesigen Marketing-Rechte an vier ihrer 32 Franchises abgetreten. Aber auch Teams, die keinen deutschen Spieler im Kader haben wie die New England Patriots mit Jakob Johnson oder die schon mit einem deutschen Verein kooperieren wie die Kansas City Chiefs mit dem FC Bayern, engagieren sich.
Einige betreiben bereits deutschsprachige soziale Medien. "Für die weltweite Präsenz ist Deutschland der nächste große Schritt", so Steinforth.