DLV-Team bei Leichtathletik-WM:Viele Tränen, wenig Werbung
von Susanne Rohlfing
25.07.2022 | 08:39
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In diesem besonderen Jahr mit zwei Höhepunkten hätte das DLV-Team bei der WM Lust auf die Heim-EM in München machen können – hätte.
Zwei Medaillen können nicht darüber hinwegtäuschen: Das deutsche Team hat nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Leichtathletik-WM in Eugene einiges aufzuarbeiten.25.07.2022 | 1:54 min
Eine WM als Muntermacher für eine Heim-EM, das hat Seltenheitswert. Und funktioniert gerade leider nicht so richtig bei den deutschen Leichtathlet:innen.
Die WM in Eugene in den USA ist zu Ende gegangen, da sind es nur noch drei Wochen bis zum Start der EM im Rahmen der European Championships in München am 15. August. Wäre die WM ein voller Erfolg gewesen, wäre das eine gute Sache. Mit Schwung und guter Laune ginge es weiter, die Sportler motiviert, die Zuschauer gespannt.
Auch das noch: Lea Meyer stürzt im Vorlauf des 3000-Meter-Hindernisrennens
Quelle: Reuters
Einmal Gold, einmal Bronze
Die WM in den USA war für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) aber kein voller Erfolg. Im Gegenteil. Einmal Gold durch Weitspringerin Malaika Mihambo und Bronze durch die Sprintstaffel der Frauen bedeuten das schlechteste deutsche Ergebnis der WM-Geschichte. Bislang datierte das von 2003, damals gab es in Paris einmal Silber und dreimal Bronze.
Malaika Mihambo ist erneut Weltmeisterin im Weitsprung. "Ich bin sehr glücklich", sagt die Topathletin im Interview mit Florian Ziedrisch nach ihrem WM-Sieg in Eugene/USA.25.07.2022 | 5:38 min
Nun bleibt kaum Zeit, die Wunden zu lecken und das angeschlagene Selbstbewusstsein aufzupäppeln. Und woher soll das Publikum die Zuversicht nehmen, dass in drei Wochen alles besser werden und das deutsche Team schillern wird?
Vielleicht aus diesem von Gina Lückenkemper gesprochenen Satz:
In München wird angegriffen.
Gina Lückenkemper
Immerhin hatte die Sprinterin zusammen mit Tatjana Pinto, Alexandra Burghardt und Rebekka Haase am vorletzten WM-Tag von Eugene Bronze über 4 x 100 Meter erobert – und damit ein erstes Aufatmen der Verbands-Verantwortlichen ermöglicht. Bis dahin war Platz fünf von Diskuswerferin Claudine Vita das beste deutsche Resultat – und das einzige in den Top acht, der mit-entscheidenden Messlatte für die Berechnung der künftigen Fördergelder für die Leichtathletik.
Die deutsche Frauen-Staffel sprintet über die 4x100m zu Bronze und holt die erste deutsche Medaille bei dieser WM. 24.07.2022 | 8:39 min
Es folgten noch der undankbare vierte Platz von Speerwerfer Julian Weber und am letzten WM-Tag Platz fünf und sieben durch die Stabhochspringer Oleg Zernikel und Bo Kanda Lita Baehre sowie Platz sechs durch Zehnkämpfer Niklas Kaul. Und natürlich Malaika Mihambo, Deutschlands Vorzeige-Leichtathletin.
Wenn alle wären wie die 28 Jahre alte Weitspringerin, hätte der Verband kein Problem: Hochtalentiert, diszipliniert im Training, immer wieder auf den Punkt topfit und mit einer mentalen Gelassenheit ausgestattet, dass Drucksituationen sich ihr zu Füßen legen wie ein gut abgerichteter Pit Bull Terrier.
Malaika Mihambo hat bei der Leichtathletik-WM ihre nächste Goldmedaille gewonnen. Mit 7,12 m verteidigte sie ihren Titel im Weitsprung.25.07.2022 | 1:50 min
Auf Mihambo war Verlass
Nun wirklich jeder hatte von der Europameisterin, Weltmeisterin und Olympiasiegerin erwartet, auch diesen Titel wieder zu gewinnen. Und nun wirklich jeder hätte Verständnis haben müssen, wenn das mal nicht geklappt hätte. Hat es aber. Nach zwei ungültigen Versuchen kurz gebangt, dann noch 7,12 Meter rausgehauen, auf Mihambo war Verlass.
Noch vor den kosmetischen deutschen Erfolgen an den letzten beiden WM-Tagen gab Idriss Gonschinska, der DLV-Vorstandsvorsitzende, im ZDF-Interview zu: "Das ist eine Situation, die wir so nicht erwartet haben." Die Ergebnisse entsprächen "in keinster Weise" unserem Anspruch. Und woran liegt’s? Das wolle man "schonungslos und konsequent" analysieren.
Idriss Gonschinska, DLV-Vorstandsvorsitzender, spricht im ZDF-Interview mit Norbert König über die bisherigen deutschen Leistungen bei der WM in Eugene.22.07.2022 | 8:23 min
"Leistung entsteht durch Training, innovatives, individuelles Training", sagte Gonschinska. Da scheint Deutschland abgehängt worden zu sein. Oder kann man es schlicht als Pech abtun, dass Leistungsträger wie die Speerwerfer Thomas Röhler und Johannes Vetter ihre Verletzungen nicht rechtzeitig losgeworden sind? Dass die Diskuswerferinnen ausgerechnet im WM-Finale nicht ihr volles Potenzial abrufen konnten? Dass die Spitzenläuferinnen Gesa Krause und Konstanze Klosterhalfen Infekte im Vorfeld der WM nicht zu kompensieren vermochten?
Viel diskutiert werden Schlagworte wie Professionalität und Wettkampfhärte. Und die Frage steht im Raum, ob der Fokus von Trainern und Athleten zu sehr auf der bevorstehenden Heim-EM gelegen habe. Aber kann in drei Wochen topfit sein, wer es jetzt nicht ist? Das wird sich zeigen. DLV-Präsident Jürgen Kessing versuchte, bei aller Enttäuschung auch ein wenig Zuversicht zu säen:
Es wird in Zukunft wieder besser, weil wir gute Talente haben.