Fußball-WM 2022 und die Folgen für Spieler und Liga

    Kurze Vorbereitung, viel Stress:Die WM, die Belastung und die Folgen

    von Ralf Lorenzen
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    Die WM in Katar treibt die Terminhatz im Profifußball auf die Spitze. Die Konsequenzen sind schon jetzt viele Verletzte und jede Menge Fragezeichen für den Liga-Neustart.

    Manu Thiele
    Die Fußball-WM findet erstmals im Winter statt und sorgt für Chaos im Fußballkalender. Warum vor allem die Spieler dabei die Verlierer sind, erklärt Manu Thiele im neuen Bolzplatz.15.11.2022 | 14:02 min
    Anfang dieser Woche sind die 18 Vereine der Fußball-Bundesliga in unterschiedliche Züge gestiegen, deren Fahrplan in sehr verschiedene Richtungen führt. Erst in zehn Wochen mit dem Re-Start der Liga nach der WM in Katar am 20. Januar werden sie wieder auf die gleiche Strecke gesetzt.

    Besonders hohe Belastung durch die WM

    Einige Klubs sind sofort in den Urlaub verschwunden und beginnen bereits Anfang Dezember mit der Vorbereitung auf den Re-Start. Andere trainieren bis Anfang Dezember weiter und gehen dann in einen ausgedehnten Urlaub. Wieder andere machen zwischendurch noch einen Abstecher nach Asien oder in die USA. Und die Nationalspieler aller Klubs steigen erst Anfang des Jahres wieder in den Trainingsbetrieb ihrer Vereine ein.

    Das ist unfassbar, was die da leisten.

    Christian Streich, Trainer SC Freiburg

    Die Trainingsplaner standen nicht nur vor der Herausforderung, Regenerations- und Belastungsphasen über einen ungewöhnlich langen Zeitraum mitten in der Saison zu steuern - sie mussten dabei auch einer besonders hohen Belastung durch die Spielplangestaltung vor und nach der WM-Pause Rechnung tragen. Von der zusätzlichen Belastung der Katar-Fahrer ganz zu schweigen.

    Weltmeisterschaft ohne Werner, Pogba und Co.

    "Da musst du fast schon ein bisschen crazy sein, damit du das durchstehst und nicht ausbrennst", sagte Christian Streich. Der Trainer des SC Freiburg bezog das schon auf den Normalbetrieb - diese Saison begann zusätzlich mit einer verkürzten Sommerpause, ging mit zahlreichen englischen Wochen vor der WM-Pause weiter und endet mit einem verdichteten Spielplan bis zum Saisonschluss.
    Ingo Froböse
    Aus sportmedizinischer Sicht brauchen Spieler nach einer WM zwei Wochen Regenerationszeit. Für viele Bundesligaprofis geht es aber fast nahtlos mit der Vorbereitung im Klub weiter.15.11.2022 | 20:59 min
    Manu Thiele zeigt in seinem aktuellen Bolzplatz detailliert auf, was das für einzelne Klubs und Spieler bedeutet. "Egal wie man es dreht und wendet: Die Verlierer sind die Spieler", sagt er. Bestes Beispiel sind diejenigen, die sich kurz vor der WM noch verletzt haben und zu Hause bleiben müssen. Wie Timo Werner und Lukas Nmcha - oder auf der internationalen Bühne die Franzosen Paul Pogba und Presnel Kimpembe sowie der Brasilianer Philippe Coutinho.

    Kaum Zeit zur Regeneration

    Zum Vergleich: Vor der WM 2014 in Brasilien war die Vorbereitungszeit lang genug, damit Deutschlands Torwart Manuel Neuer seine Schulterverletzung auskurieren konnte. Diesmal beträgt sie für die deutschen Spieler inklusive der Anreise neun Tage.
    "Die Gesundheit der Spieler spielt in der Regel kaum eine Rolle", sagt der Sportmediziner Ingo Froböse über diese Entwicklung. Für die Spieler, die es nach Katar geschafft haben, beinhaltet die kurze Vorbereitungszeit nicht nur körperlichen, sondern auch mentalen Stress. Ex-Nationalspieler Sami Khedira sieht darin das größte Problem. Er hält den schnellen Übergang vom Klub-Fußball zur Nationalmannschaft für problematisch.

    Wundertüte Rückrunde

    "Da werden wir die eine oder andere Verletzung sehen, weil es total anstrengend ist, so große Wettbewerbe in so einem kurzen Zeitraum zu spielen", sagt der Weltmeister von 2014. Sportmediziner Froböse rechnet damit, dass Bundestrainer Hansi Flick den Spielern in der ersten Woche Zeit und Ruhe zur Akklimatisierung gibt. "Bezogen auf die Vorrunde müssen wir davon ausgehen, dass die Spieler bei Weitem noch nicht ihre Höchstleistungen bringen können."
    Unabhängig vom Ausgang der Weltmeisterschaft gleicht der Neustart der Bundesliga am 20. Januar einer Wundertüte. Manu Thiele meint:

    Grundsätzlich haben Klubs mit wenigen Nationalspielern einen großen Vorteil - und das könnte die Bundesliga auf den Kopf stellen.

    Manu Thiele

    "Sie stehen voll im Saft und genau das kann die Bundesliga komplett durcheinander würfeln. Die Konsequenz ist, dass es mehr Überraschungen geben kann."

    Kalender muss überprüft werden

    Bei aller Kritik an dem durch diese WM verbreiteten Chaos ist dies laut Thiele "ein guter Zeitpunkt, um allgemein über den Fußball-Kalender zu reden". Die FIFA und UEFA sollten sich mit den Klub-Bossen an einen Tisch setzen, um die beste Lösung zu finden. "Ja, Geld spielt im Fußball eine enorm wichtige Rolle, dabei sollte aber nicht das Wichtigste vergessen werden", lautet Thieles Bolzplatz-Fazit. "Die Gesundheit der Spieler. Manchmal ist halt weniger mehr."

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