Trainer-Personalien der Spitzenklubs prägen derzeit die Schlagzeilen. Fußball-Fachmann Andreas Rettig über Ablösesummen und einen engen Markt in der Beletage der Bundesliga.
ZDFheute: Wenn zuletzt Kandidaten für hochdotierte Trainerstühle im deutschen Fußball umworben wurden, umfasste das zumeist den Kreis Rose, Hütter, Nagelsmann, Flick, Rangnick und vielleicht noch Kohfeldt. Ist der Markt für Übungsleiter im ganz oberen Regal so klein geworden, dass man die Guten zumeist teuer aus laufenden Verträgen rauskaufen muss?
Andreas Rettig: Der Trainerberuf lebt in hohem Maße von Kommunikation und Führung. Damit ist die Ansprache ein entscheidender Faktor, der den Markt verfügbarer Trainer reduziert.
Die genannten Trainer haben ihre Qualität in der Liga bereits nachgewiesen und dann regeln Angebot und Nachfrage wie in der Real-Wirtschaft auch den Preis.
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ZDFheute: Ist das auch ein Grund, warum wir fast nur noch deutschsprachige Trainer in der Liga sehen?
Andreas Rettig: Experimente mit solchen ausgewiesenen Toptrainern wie Trapattoni oder Ancelotti sind seltener geworden. Da wird es in der Kommunikation zwischen Trainer und Mannschaft schon mal holpriger.
Bei Trainern fallen Sprachbarrieren stärker ins Gewicht als bei den Profis. Das ist sicher ein Grund und engt den Markt auf Trainer ein, die sich auch schon in der Top-Spielklasse Bundesliga bewährt haben.
ZDFheute: Zuletzt bei den Wechseln von Marco Rose (BVB) und Adi Hütter (Gladbach) wurden immense Ablösesummen von sechs, beziehungsweise siebeneinhalb Millionen Euro (Anmerkung Red.: Rekordablösesumme für einen Bundesliga-Trainer) kolportiert. Wie kommt es, dass in Zeiten von Corona und knapper Kassen soviel Geld für die Verpflichtung von Trainern ausgegeben wird?
Andreas Rettig: Dass für Schlüsselpositionen viel Geld in die Hand genommen wird, ist nicht überraschend. Im besten Fall macht der Trainer jeden Spieler des Kaders besser. Insofern ist es eine kluge unternehmerische Entscheidung, viel Geld in diese Personalie zu investieren.
Außerdem hat der Trainer direkten Einfluss auf den höchsten Kostenblock des Vereins: den Spielerkader. Hier wird Geld verbrannt oder verdient ...
ZDFheute: … und diesen Trainern, die die Kadergestaltung beeinflussen, gewähren die Vereine dann Ausstiegsklauseln. Geht der Trainer, muss der Nachfolger mit einem Kader arbeiten, den er nicht mitgeplant hat. Wie sehr schwächt das den Verein?
Andreas Rettig: Die Ausstiegsklausel schwächt vor allem auch die Position des Trainers.
ZDFheute: Was muss ein guter Trainer heutzutage vor allem mitbringen?
Andreas Rettig: Er muss vor allem Manager sein, die Mannschaft und seinen Staff führen. Der Trainer muss auch nicht in jeder Einzeldisziplin, ob Trainingslehre, Psychologie oder Pädagogik der Experte sein. Aber er muss die Dinge verstehen, ordnen, gewichten und die Gesamtverantwortung tragen.
ZDFheute:: Wie sieht‘s mit den taktisch-fachlichen Anforderungen aus?
Andreas Rettig: Eine besondere Gabe ist, ein Spiel lesen zu können, direkten Einfluss auf ein Spiel nehmen zu können und die richtigen Maßnahmen zu treffen, während die Partie läuft. Das können nur die Wenigsten!
ZDFheute: Trainer, die sich in der Bundesliga entwickelt haben, sind national und international hochbegehrt! Hängt das auch mit der Ausbildung hier zusammen?
Andreas Rettig: Es gab auch in den vergangenen Dekaden in Deutschland immer wieder Top-Leute, ob das die Ära Cramer/Lattek, danach Heynckes/Rehhagel, oder auch Feldkamp, Daum, Sammer oder Magath betrifft.
Diese Trainer haben alle große individuelle Klasse mitgebracht. Ich habe in Augsburg ein paar Jahre mit dem damaligen Nachwuchstrainer Thomas Tuchel zusammengearbeitet, auch ein besonderer Coach mit großen individuellen Stärken, bei dem die zweifellos gute Ausbildungssituation in Deutschland aber weniger ausschlaggebend war.
Das Gespräch führte Frank Schmidt, Redakteur in der ZDF-Sportredaktion.