Mehr Spiele, mehr Vereine - dies bedeutet die Reform der Champions League, über die die UEFA wohl bald entscheidet. Kritiker befürchten mehr Ungleichheit und einen Tabubruch.
In der Liste aller bisherigen Gewinner der höchsten Vereins-Spielklasse, die 1955 als Europapokal der Landesmeister gegründet wurde und seit 1992 als Champions League firmiert, tauchen zwei Klubs auf, die aktuell nicht in der ersten Liga ihres Landes spielen: der Hamburger SV und Nottingham Forest.
An den zweimaligen Cup-Sieger aus England (1979 und 1980) erinnern die Football Supporters Europe (FSE). "Der Erfolg von Forest (…) wird zurecht als sportliches Wunder angesehen; die wahre Erfolgsgeschichte bestand jedoch darin, dass alles möglich war, und dass die Leute darauf vertrauen konnten, dass sie eine sportliche Chance hatten."
Reform mit Tabubruch
Dieses Zitat eines Fanvertreters steht als Mahnmal in einem Positionspapier zu den geplanten Reformen der Champions League.
Diese werden von den Fanorganisationen und einigen Klubvertretern in ganz Europa als Tabubruch angesehen. Denn bei aller Kritik am wachsenden ökonomischen Ungleichgewicht besteht bislang noch die Gewissheit, dass sich alle Klubs rein sportlich mit den gleichen Chancen in eine neue Saison gehen.
Kein Hintertürchen für Aufsteiger
Die geplante Reform beinhaltet nun aber neben einer Aufstockung der Teilnehmer und einer größeren Anzahl an Spielen durch einen neuen Vorrundenmodus auch eine Neuerung bei den Teilnahme-Regeln: Zwei Klubs sollen sich künftig nicht über die aktuelle Leistung, sondern über eine Mehrjahreswertung für die Champions League qualifizieren können.
"Vereinen, die über zehn Jahre durchschnittlich zur Spitze gehören, wird über dieses Hintertürchen garantiert, dass sie immer dabei sind, auch wenn sie in einem Jahr mal weniger Erfolg haben", sagte der Sportsoziologe Gunter Gebauer ZDFsport. Ein Verein, der von unten komme, könne mal einen Ausreißer nach oben haben, so Gebauer. "Aber er wird sich nicht über eine Zehn-Jahre-Wertung ein Türchen nach Europa öffnen können."
Kritik von Völler und Hellmann
Der Reform-Plan gilt als Kompromiss zwischen der Clubvereinigung ECA, in der die wirtschaftlich stärksten Klubs organisiert sind, und der European Football League (EFL), die die Interessen der gesamten nationalen Ligen vertritt. Die EFL möchte mit dem Modell die Einführung einer angeblich sonst drohenden geschlossenen Super-Liga verhindern.
Zuletzt wurden auch aus den Reihen der zehn deutschen ECA-Mitglieder mahnende Stimmen laut. "Eine unglaubliche Ungerechtigkeit", nannte Bayer Leverkusens Sportchef Rudi Völler die geplante Sonderregel für erfolgreiche Klubs im "aktuellen sportstudio". Diese würden "den auf dem Leistungsgedanken beruhenden sportlichen Wettbewerb ad absurdum führen", sagte Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann im "kicker".
Hellmann fordert wie die Fanvertreter*innen, dass DFB-Vizepräsident Rainer Koch als Vertreter in der UEFA-Exekutive "sich mit aller Kraft dafür einsetzt, dass allein sportliche Kriterien eine Qualifikation für europäische Wettbewerbe ermöglichen".
Wie verhält sich der DFB?
Nach Medienberichten wird das Exekutiv-Komitee die von der ECA und der UEFA-Kommission für Klubwettbewerbe (CCC) beschlossenen Plänen absegnen. Bis Sonntag war nicht bekannt, welche Haltung Koch einnehmen wird.
Eine der Handlungsempfehlungen der Task Force Zukunft Bundesliga, an der auch der DFB beteiligt war, lautet, sich auf europäischer oder globaler Ebene in Zusammenarbeit mit der Politik für Reformen einzusetzen, die eine gleichmäßigere Verteilung der UEFA-Gelder an die Klubs beinhalten. Die geplanten Reformen gehen in die gegenteilige Richtung.
Drohende Langeweile
"Die Champions League begünstigt durch die Verteilung der Fernsehgelder jetzt schon die Vereine, die sowieso erfolgreich sind", sagt Sportsoziologe Gebauer. "Wenn man dies verändern und die Spannung erhalten will, müsste man die Mannschaften aus der zweiten Reihe besser an den Einnahmen beteiligen. Sonst wird es immer langweiliger."