Ausgerechnet Brasilien soll nun die Fußball-Südamerikameisterschaft austragen. Die Reaktion auf die umstrittene Entscheidung ist eindeutig.
Erst sagte Kolumbien ab, weil Sozialproteste, Polizeigewalt und Straßenblockaden das Land in eine schwere Krise stürzten, dann musste auch Co-Gastgeber Argentinien zwei Wochen vor Beginn des Turniers die Reißleine ziehen.
Argentinien verzichtet auf Co-Ausrichtung
Die dramatisch hohen Infektionszahlen gerade in den vier Austragungsstädten ließen keine andere Entscheidung zu: Die Regierung in Buenos Aires gab die Ausrichterrolle an den südamerikanischen Verband Conmebol zurück.
Und der überraschte nun mit der Entscheidung, das Turnier nicht abzusagen oder - wie von Kolumbien ins Spiel gebracht - um weitere sechs Monate zu verschieben, sondern: Die Copa America nach Brasilien zu vergeben. Das, obwohl das Land als Virus-Variantengebiet eingestuft wird, täglich rund 2.000 Tote zu beklagen hat und Experten vor einer neuen Welle warnen.
Zuschauer nur im Finale
Auch wenn das Turnier bis auf das Finale ohne Zuschauer ausgetragen werden soll, sei es ein Risiko, sagt Epidemiologin Dr. Ethel Maciel von der Universität Espírito Santo (UFES) im Gespräch mit dem ZDF: "Ein Turnier sorgt nicht nur für Mobilität bei den Athleten, sondern setzt auch das Umfeld der Mannschaften in Bewegung. Deren Begleittross ist groß. Es macht keinen Sinn, das Turnier jetzt hier in Brasilien durchzuführen."
Sowohl der südamerikanischen Fußball-Verband, als auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, der die Turnierverlegung selbst mit dem Verband ausgehandelt haben soll, stehen in der Kritik. Politikwissenschaftler Seimour Souza (Uni Rio) greift ein Argument auf, das viele Kritiker Bolsonaro vorwerfen:
Conmebol verspricht sicherste Copa aller Zeiten
Die Regierung in Brasilia wird wegen einer schleppenden Impfkampagne kritisiert. Bolsonaros Anhänger halten dagegen, die Regierungsgegner selbst hätten erst am Wochenende Massendemonstrationen im ganzen Land veranstaltet.
Conmebol selbst verspricht das sicherste Turnier aller Zeiten. Neben einer überwiegend zuschauerfreien Copa soll dazu vor allem eine breit angelegte Impfkampagne helfen.
50.000 Impfdosen aus China
Ein chinesischer Hersteller spendete Conmebol vor ein paar Wochen 50.000 Impfdosen, damit sollen alle Delegationen und am Turnier beteiligten Personen geimpft werden.
Es geht vor allem um die Rettung der TV-Einnahmen für den Kontinental- und die nationalen Verbände. Das Problem ist allerdings: Klassiker wie Brasilien gegen Argentinien würden in den Kneipen des Landes für echte Menschenansammlungen sorgen.
Bolsonaro-Regierung von scharfer Kritik überrascht
Brasiliens Regierung hatte offenbar eine andere Reaktion erwartet als die durchgehend scharfe Kritik und ist inzwischen zurückgerudert. Es werde mit Conmebol verhandelt, eine Garantie für die Austragung gebe es aber noch nicht, erklärten offizielle Stellen.
Fällt auch Brasilien aus, würde es wenige Tage vor Turnierbeginn dramatisch knapp werden. Politisch ist das Turnier für jede Regierung in Südamerika derzeit ein Risiko, weil die Region noch mitten in der Pandemie steckt.
Als Alternativen kämen deshalb eigentlich nur die USA, Katar oder ein asiatisches Land in Frage - es sei denn, es setzt sich die Einsicht durch, das Turnier doch noch einmal zu verschieben.