Nach dem schwer erkämpften Viertelfinalsieg gegen Österreich träumen die deutschen Fußballerinnen vom großen Finale bei dieser EM.
Wozu Handtücher und Aufwärmleibchen doch gut sind: Sie an einem lauen Sommerabend in London durch die Luft zu wedeln, schien den deutschen Fußballerinnen spontan die beste Idee, um ihre Freude über das gewonnene EM-Viertelfinale gegen Österreich (2:0) auszudrücken. Das Community Stadium von Brentford, direkt an der Bahnstation Kew Bridge, wird Deutschlands Nationalteam wohl auf ewig in bester Erinnerung behalten.
Mit einer makellosen Bilanz nach vier Siegen ohne Gegentor stehen die DFB-Frauen erstmals seit den Olympischen Spielen 2016 wieder im Halbfinale eines Großevents. Zur Belohnung gab es nach Mitternacht im Teamhotel noch Pita-Taschen mit Falafel und Salat.
Klar, dass Martina Voss-Tecklenburg nach einem "sehr intensiven Spiel gegen einen sehr hartnäckigen Gegner" stolz und glücklich war, obwohl gerade erste Halbzeit merkwürdig unrund lief. Doch letztlich gibt es in den K.o.-Runden von Turnieren keinerlei Schönheitspreise zu gewinnen - nur das Weiterkommen zählt. Die 54-Jährige hat dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) bewiesen, dass sie es besser machen kann als bei der WM 2019 in Frankreich.
Messlatte von DFB-Direktor Oliver Bierhoff erreicht
"Wenn ich die Worte von Oliver Bierhoff nehme, dass es unser Anspruch ist, unter die letzten Vier zu kommen bei großen Turnieren, dann haben wir das erst mal geschafft", sagte Voss-Tecklenburg:
Alle träumen vom Finale in Wembley, letzter Juli-Sonntag, 90.000 Zuschauer. Wie sich das anfühlen kann, hier gegen England anzutreten, weiß Klara Bühl noch genau, die einst bei einem Freundschaftsspiel am 9. November 2019 kurz vor Schluss das Siegtor anbrachte. Auch wegen dieser Perspektiven war "die Stimmung bei uns in der Kabine mega", wie Bühl erzählte. Sie wundere sich immer über die Energie ihrer Mitspielerinnen beim Hüpfen, Singen und Tanzen: "Ich weiß nicht, woher die kommt. Aber es ist irgendwie noch einmal eine andere Muskelgruppe."
Kompliment an Gegner Österreich
Doch bevor es zur Wiederauflage des Klassikers England gegen Deutschland kommt, müssen beide erst noch ihr Halbfinale gewinnen, wobei die Deutschen erst am Samstagabend nach der Partie Frankreich gegen Niederlande wissen, wer sich ihnen am Mittwoch beim Halbfinale in Milton Keynes in den Weg stellt.
Die Bundestrainerin fand den Halbfinaleinzug alles in allem "verdient". Aber anerkennend sagte Voss-Tecklenburg auch: "Kompliment an Österreich. Sie hatten einen klaren Plan." Österreichs Teamchefin Irene Fuhrmann tröstete sich damit, "gegen ein absolutes Weltklasseteam" verloren zu haben.
Österreichs individuelle Fehler helfen dem DFB-Team
Letztlich brachten nur individuelle Fehler von Kapitänin Carina Wenninger (ließ sich von Klara Bühl vor dem 0:1 durch Lina Magull den Ball abluchsen) und Keeperin Manuela Zinsberger (schoss zum 0:2 Alexandra Popp an) den tapferen Außenseiter auf die Verliererstraße. Speziell der extrovertierten Torhüterin kullerten die Tränen fast in Sturzbächen über die Wangen.
Von einem "dreckigen Sieg" sprach ihr Gegenüber Merle Frohms, die trotz erster kleiner Wackler weiter ihre weiße Weste bewahrte. Dreimal halfen der 27-Jährigen zwar Pfosten und Latte, aber insgesamt attestierte ihr Tobias Haupt, der DFB-Akademieleiter und ehemaliger Torwart, bei dieser EM eine "Weltklasseleistung".
Dicke Komplimente für Frohms und Oberdorf
Auf demselben Level, so Haupt gegenüber zdfheute, sei Lena Oberdorf unterwegs, die diejenige war, die dem körperlich robusten Gegner in jeder Phase mit ihrer entschlossenen Zweikampfführung die Stirn bot. Nicht unmöglich, dass sich sonst die Muster des Ausscheidens bei der EM 2017 gegen Dänemark (1:2) und bei der WM 2019 gegen Frankreich (1:2) wiederholt hätten, als Deutschland jeweils fast widerstandslos eine 1:0-Führung herschenkte.
Oberdorf verriet hinterher, dass sie sich in der Herangehensweise gerne Videos von Sergio Ramos angeschaut hätte, heute aber sei Sergio Busquets ihr Vorbild. Und gerne würde sie sich einmal mit Joshua Kimmich, der ja auf der strategisch wichtigen Sechser-Position das deutsche Spiel bei den Männern lenkt, austauschen. Für die Frauen ist die erst 20-jährige Oberdorf fast noch wichtiger.