Ein Doppelpack von Alexandra Popp bringt die deutschen Fußballerinnen ins EM-Finale. Die Kapitänin verkörpert wie keine andere die besondere Mentalität dieser Gemeinschaft.
Am Ende hatte Alexandra Popp nicht einmal beim Interview ihre Ruhe. Die Doppeltorschützin beim schwer erkämpften EM-Halbfinalsieg gegen Frankreich (2:1) stand noch vor der Werbewand, um als "Spielerin des Spiels" am Spielfeldrand erste Auskünfte zu erteilen, als auf einmal das ganze Team angerannt kam. In Windeseile war die 31-Jährige umzingelt.
Um sie herum hüpften und tanzten die Mitspielerinnen, schwangen Leibchen und Handtücher. Als Symbol, das an diesem rauschhaften Abend in Milton Keynes alle zusammengehörten. Sie feierten eine Fußballerin, die zum Sinnbild einer schwarz-rot-goldenen Gemeinschaft geworden ist, die mit dem Einzug ins Finale alle überrascht. Auch sich selbst.
Dank an das ganze Team
Ohne die in allen fünf EM-Partien erfolgreiche Popp würde Deutschland jetzt nicht im Endspiel gegen England (Sonntag, 18 Uhr) spielen. Zweimal verwertete sie gegen die Französinnen die Flanken ihrer Vereinskollegin Svenja Huth mit aller Entschlossenheit. Sie hielt mit ihrer Wucht und ihrem Willen den Traum vom neunten EM-Titel am Leben.
All die Komplimente, die auf die Kapitänin an diesem historischen Abend in Milton Keynes herabregneten, gab sie umgehend wieder zurück.
Nach einer Knorpelverletzung hatte sie zehn Monate beim VfL Wolfsburg und sogar 17 Monate im DFB-Team gefehlt. Als sie als Einwechselspielerin gegen Dänemark (4:0) mit einem Flugkopfball den EM-Fluch besiegt hatte, kullerten nicht das erste Mal in ihrer Karriere wieder die Tränen.
Leidensgeschichte mit vielen Wellentälern
Niemand hat solche Wellentäler durchgemacht wie die 119-fache Nationalspielerin, die sich nach der Corona-Erkrankung von Lea Schüller bereits beim zweiten Gruppenspiel gegen Spanien (2:0) plötzlich in der Startelf wiederfand. "Ich profitiere extrem von den Mädels. Natürlich macht mich das sehr glücklich und stolz, dass ich diese Möglichkeiten überhaupt bekomme, diese Bälle zu versenken", sagte Popp in der rauschhaften Nacht von Milton Keynes.
Die verletzungsbedingte Auszeit habe auch etwas Gutes gebracht: "Um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl, dass ich das alles gerade viel, viel mehr erlebe. Die Momente viel mehr genieße. Und, ja, den Fußball selbst noch mehr schätze als zuvor." Es ist eben keine Selbstverständlichkeit, gesund zu sein und das zu tun, was man seit der Kindheit am liebsten macht.
Für Wembley gibt es keinen Druck
Die Aussicht auf ein flirrendes Finale auf dem heiligen Rasen in Wembley vor fast 90.000 Zuschauern gegen EM-Gastgeber England wirkt wie eine Belohnung für die Leidenszeit. Aber die deutsche Nummer elf macht sich gar keinen Druck. Erst recht nicht über ein Wettschießen mit der englischen Stürmerin Beth Mead, die ebenfalls bei sechs EM-Toren steht. "Es ist jetzt nicht mein erstes Ziel zu sagen, ich will unbedingt Torschützenkönigin werden. Das erste Ziel ist ganz klar, den Europameistertitel zu holen. Wenn das i-Tüpfelchen dann drauf gesetzt wird, dann wär's natürlich schön."
Doch schon jetzt klingt ihre Comeback-Geschichte fast zu kitschig. "Seit sie Fußball spielt, geht sie über Grenzen", sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bereits vor dem Halbfinale. Die gebürtige Duisburgerin kennt ihre Anführerin seit deren nicht einfacher Jugendzeit, als die in Gevelsberg aufgewachsene Popp private Probleme ihrer Familie meistern musste.
Gemeinsame Zeit mit Voss-Tecklenburg
Voss-Tecklenburg wusste aus der gemeinsamen Zeit beim FCR Duisburg, was Popp an Energie und Einsatz aufbringen würde, aber sie wusste auch nicht, ob es klappen würde, die im Verein die vergangenen Jahre häufig zwischen allen Positionen hin und her geschobene Popp wieder als Mittelstürmerin einzuplanen.
Und an dieser Stelle ergänzte Popp gerne: "Ich war sehr froh, dass Martina mich in die Spitze gestellt hat. So konnte ich zeigen, was ich vorne noch draufhabe." Und nun jubeln nicht nur ihre Mitspielerinnen, sondern ganz Fußball-Deutschland mit ihr.
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