Nach Katar-Kritik werden Fans von der Polizei gestoppt. Der DFB beteuert: Das Banner wäre genehmigt worden. Die Fanhilfe hält Vermutungen der Polizei für "einigermaßen abstrus".
Es ist noch nicht einmal eine Minute gespielt beim Nations-League-Spiel der DFB-Elf gegen Italien, als die Führungskamera auf der Gegenseite ein großes Banner einfängt, das von mindestens 20 Fans gehalten wird: "15.000 Tote für große Kulissen - FIFA und Co. ohne Gewissen. Boycott Qatar" steht darauf.
Mindestens zwei Minuten ist das Banner im Stadion zu sehen. Als die Kamera in der vierten Minute wieder die Zuschauerblöcke 9 und 10 auf der Osttribüne einfängt, sind Banner und die Fans, die es gehalten haben, verschwunden. ZDF-Kommentator Oliver Schmidt sagt:
Banner bei Länderspiel: Fanhilfe reagiert in Sozialen Medien
Eine halbe Stunde nach Spielbeginn meldete sich die "Fanhilfe Mönchengladbach" auf Twitter zu Wort. Die Fans, die das Banner gezeigt hätten, seien von der Polizei festgesetzt worden und "befinden sich nun in einer Maßnahme".
Man frage sich nun: "Was wird vorgeworfen?" Viele vermuteten in den Sozialen Netzwerken, die Polizei sei auf Geheiß des DFB wegen des kritischen Banners eingeschritten. Die Reaktion der Polizei Mönchengladbach kam noch nachts gegen 1 Uhr.
Die Gruppe habe nach der Aktion "sofort geschlossen den Block und das Stadion" verlassen, hieß es in der Polizeimeldung. Und weiter: "Das Verhalten der Personengruppe begründete den Verdacht, dass sie gegen das Hausrecht des Veranstalters (DFB) verstoßen habe und möglicherweise weitere Aktionen vornehmen würde."
Polizei und DFB: Zeigen des Banners nicht strafrechtlich relevant
Darüber habe es auch Kommunikation zwischen Polizei und DFB gegeben. Man sei sich einig gewesen, dass das Zeigen des Banners strafrechtlich nicht relevant, sondern von der Meinungsfreiheit abgedeckt gewesen sei. Später traf die Polizei außerhalb des Stadions in Höhe des Parkplatzes 4 eine 15-köpfige Personengruppe und kontrollierte sie, "zur Personalienfeststellung und zur Sicherung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche des Veranstalters (DFB)". Nach ZDF-Informationen hat die Gruppe einen Platzverweis erhalten und sich daraufhin entfernt.
- DFB rechtfertigt Polizeieinsatz
Nach dem Polizeieinsatz gegen Fans beim Nations-League-Spiel gegen Italien, versucht der DFB Schadensbegrenzung. Die Maßnahme sei aus Sorge um die Sicherheit angefordert worden.
Im Gespräch mit dem ZDF erklärt Polizeisprecher Wolfgang Röthgens den Hintergrund der Kontrolle. Es sei natürlich "nicht um den Inhalt des Plakates" gegangen. Vielmehr bestand "aufgrund ihres auffälligen Verhaltens" der Verdacht, dass die Gruppe ohne Tickets in Stadion bzw. in den Bereich der Gegengerade gelangt sein könnte.
Das wäre dann im juristischen Sinne Hausfriedensbruch gewesen. Tatsächlich kommt es bei Länderspielen äußerst selten vor, dass sich jemand Tickets kauft und das Spiel dann nach fünf Minuten wieder verlässt.
Fanhilfe: Vermutung der Polizei "einigermaßen abstrus"
In diesem Fall war es aber tatsächlich so, versichert Simon Bender von der Fanhilfe Mönchengladbach, die in die Aktion eingeweiht war. Er hält die Vermutung der Polizei, jemand sei ohne Ticket ins Stadion gelangt, für vorgeschoben und "einigermaßen abstrus". Das sei gar nicht möglich, immerhin müsse jeder und jede einzeln durch ein Drehkreuz.
Die "Jungs" aus der Gladbacher Fanszene hätten dafür mit 70 Euro pro Ticket "tief in die Tasche gegriffen". Jetzt werde für sie gesammelt, die Fans seien da "sehr solidarisch". Niemand von ihnen habe das Spiel sehen wollen.
DFB: Banner wäre genehmigt worden
Mit dem Verhalten nach der Banneraktion hätte sich die Gruppe beim DFB, dem Sicherheitsdienst und der Polizei verdächtig gemacht, erklärt DFB-Sprecher Jens Grittner. Die Gruppe habe relativ schnell und hektisch das Stadion verlassen, sagt er. Das sei äußerst unüblich, gerade auf diesen Plätzen.
Man habe auch schon beim Pokalfinale DFB- und FIFA-kritische Banner genehmigt. "Es ist uns ein Anliegen zu betonen, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist. Diese einzuschränken war und ist nicht im Interesse des DFB", sagt Grittner. Wäre das Banner angemeldet worden, hätte man es genehmigt.
Simon Bender von der Fanhilfe befürchtet jetzt, dass die Daten der 15 Personen in die Datenbank "Gewalttäter Sport" bei der Landeszentrale für polizeiliche Dienste in Duisburg eingetragen werden und die Gruppe damit stigmatisiert sei. Straf- oder zivilrechtlich hätten Polizei und DFB den Fall ohnehin schnell zu den Akten gelegt. "Wir glauben schon, dass da nichts mehr kommt", sagt Bender. Einen Eintrag in der Landesdatenbank sähe er aber "sehr kritisch". Polizeisprecher Röthgens beschwichtigt allerdings am Nachmittag: "Seitens der Polizei Mönchengladbach folgen keine weiteren Maßnahmen."
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