Wie schnell kann der neue Präsident Thomas Weikert den zerrütteten DOSB wiederaufbauen und Reformen anstoßen - zwei Monate vor Olympia? Eine Herkulesaufgabe.
Erst eine anonyme Mail im Mai 2021, die eine "Kultur der Angst" attestiert, daraus sich entwickelnde Intrigen, die den DOSB in eine veritable Führungskrise und Zerrissenheit gebracht haben - und nun ist der Neue da, mit einer überwältigen Mehrheit von mehr als 86 Prozent gewählt: Thomas Weikert, Anwalt für Familienrecht aus Limburg.
Weikert - DOSB-Präsident Nummer 4
Am 24. November ist er als Präsident des Tischtennis-Weltverbandes nicht mehr angetreten. Seit dem 4. Dezember ist er nun nach Thomas Bach (mittlerweile IOC-Präsident), Hans-Peter Krämer und dem nach seinem Führungsdebakel zurückgetretenen Alfons Hörmann der vierte Präsident im DOSB.
Der DOSB steht vor einer Zukunft, die Weikert - wie gewünscht und für ihn geradezu gemalt - mit einer komplett runderneuerten Führung im Präsidium da wiederaufbauen kann, was die alte zuvor vernichtet hat. Drei Präsidiumsmitglieder wollten in Weimar noch einmal antreten und wurden prompt abgewählt.
- Von der "Briefaffäre" zur Kandidaten-Kür
DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat den deutschen Sport-Dachverband in die größte Krise seit seiner Gründung manövriert. Am 4. Dezember soll der Neuanfang beginnen. Eine Chronik.
Die Wunden schließen
Daher kein Wunder: Die Zeit einer Inventur von Vertrauen und Moral ist nie nötiger als jetzt. Die Wunden vor Weimar müssen nun nach Weimar aufgearbeitet und geschlossen werden.
Das IOC reagiert schnell: Thomas Bach hat dem neuen Präsidium eine Einladung nach Lausanne ausgesprochen. Denn: Eine Herkulesaufgabe jagt dabei die nächste für den 60 Jahren alten Weikert, denn in zwei Monaten beginnen die umstrittenen Winterspiele in Peking - an einem Ort, der nicht für sportpolitische Transparenz steht.
Aber Weikert positioniert sich schneller als ihm gar lieb sein kann. Seine Kritik über die Aussage der designierten Bundes-Außenministerin Annalena Baerbock über einen Olympiaboykott kommt prompt:
So schnell wie möglich aus dem Krisen-Modus
Weikerts zu lösende Problemfelder: Da geht es um die Stärkung der dritten Schulsportstunde und des Ehrenamts, das Verhindern von Lockdowns während der Pandemie im Breitensport, den Aufbau einer möglichen Leistungssport-Abteilung als Segelschiff im großen Tanker DOSB.
Und um Bürokratie-Abbau und Versöhnung zwischen Landessportbünden, Spitzensport und nicht-olympischen Sportverbänden sowie der eigenen Belegschaft im DOSB.
Starke, integre Stimme
"Ach, ich denke, man kann mir schon gratulieren. Ich weiß, dass die Aufgabe schwierig ist und wird." So Weikert im aktuellen sportstudio, das Herz (noch) auf der Zunge - der sich aber nicht verbiegen lassen sollte, weil er in der Lage scheint, eine starke, integre Stimme des Sports zu werden, die zuletzt vermisst wurde.
Daher haben die Wünsche vom Vorsitzenden der Ethikkommission, Thomas de Maizière, Gewicht, der feststellt: "Wir hatten viel zu tun, für unseren Geschmack zu viel", und fortführt: Es würde zu viel von der großen Sportfamilie gesprochen:
de Maizière: Die Sporttreibenden zuerst
Man solle erst an die Sportreibenden denken, dann an den Spitzensport und erst dann an die eigene Person. Anonyme Vorwürfe sollten große Ausnahmen bleiben. Vertrauliches vertraulich behandelt werden. "Durchstecherei schadet allen", sagt de Maiziere. Vertrauen entstehe erst durch gemeinsames Handeln.
"Geben Sie uns die Chancen zu beweisen, dass wir oftmals Anzug tragen, aber immer Trikot denken," sagt der Limburger Anwalt, noch aktiv als Tischtennisspieler der Verbandsliga in Hessen - mit seinem TTC Elz II.
Weikert wie ein Mannschaftskapitän
Weikert spricht wie einer, der befrieden, ausgleichen möchte. Einer, einen Neubeginn ohne weitere Schädigungen will und der in der Zeit der größten DOSB-Krise als Mannschaftskapitän antritt. Er könnte zum Mediator des deutschen Sports werden, wenn er so weitermacht.
Nur sein erster Aufschlag als DOSB-Präsident erfolgt nicht an der Tischtennisplatte vom TTC Elz II. Sein erster Aufschlag wird nun im DOSB erwartet. Man freue sich auf den Neuen, ist aus der Otto-Fleck-Schneise zu hören.