Explodierende Energiekosten: Sportvereine schlagen Alarm

    Explodierende Energiekosten:Sportvereine schlagen Alarm

    von Frank Hellmann
    29.09.2022 | 05:58
    |

    Die explodierenden Energiekosten bringen auch den deutschen Sport in Bedrängnis. Die Rufe nach Entlastungen für die bundesdeutschen 90.000 Sportvereine werden lauter.

    LED-Flutlichtanlage am Sportplatz in Großbottwar
    Energiesparen ist angesagt, wie hier mit einer LED-Flutlichtanlage am Sportplatz in Großbottwar
    Quelle: imago / avanti

    So eng standen die größten beiden deutschen Sportorganisationen nicht immer beieinander. Aber Thomas Weikert, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), und Bernd Neuendorf, Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), suchen in Krisenzeiten bewusst den Schulterschluss. "Wir arbeiten noch intensiver zusammen", versicherten sie bei einer Podiumsdiskussion in Stuttgart.

    Sorge vor allem um den Breitensport

    Beide verbindet die Sorge, dass der Breitensport von der Energiekrise massiv betroffen ist. Die Sportverbände der Länder haben bereits eine Deckelung der Energiekosten gefordert.

    Wir sehen die Gefahr, dass die Energiekrise zu strukturellen Schäden in der Sportvereinslandschaft in Deutschland führen kann, denn die Reserven sind nach zwei Jahren Pandemie aufgebraucht.

    Thomas Weikert

    Schon die Corona-Krise mit geschlossenen Sportanlagen im Freien hatte die Sportbasis verstört. Dabei ist Bewegung erwiesenermaßen die beste Vorbeugung gegen Krankheiten. Wenn jetzt wieder Sportplätze, Schwimmbäder oder Turnhallen zugesperrt werden, weil sie nicht beheizt oder beleuchtet werden können, sei das kaum verkraftbar, weil dann Mitglieder verlorengehen, heißt es vielerorts.
    Bernd Neuendorf und Thomas-Weikert am 19.09.2022 in Stuttgart
    Bernd Neuendorf (links) und Thomas-Weikert in Stuttgart
    Quelle: dpa

    Kosten für Vereine verdreifachen sich

    Und schon jetzt reichen die Mitgliedsbeiträge nicht, um die explosionsartig gestiegenen Energiekosten zu decken. Nur ein Beispiel: Der MTV Köln 1850, der größte Breitensportverein der Domstadt, hat für Strom und Wasser vor drei Jahren noch 36.000 Euro bezahlt, für das laufende Jahr werden es mehr als doppelt so viel sein, in 2023 vermutlich 100.000 Euro.
    Die Energiekrise gefährdet zahlreiche Amateur-Sportvereine. Eishallen ohne Eis und kalte Schwimmbäder machen das Training schwierig bis unmöglich.11.09.2022 | 7:01 min
    "Natürlich können wir Energie einsparen", sagte der Vorsitzende Holger Dahlke in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Aber die Mehrkosten könne man dadurch nicht auffangen. Der DOSB hat seine 90.000 Vereine dazu aufgerufen, 20 Prozent Energie einzusparen, was bei geschicktem Vereins- und Gebäudemanagement vielerorts möglich ist. Duschen bleiben kalt, Trainingszeiten werden verschoben, die Raum- und Wassertemperaturen gesenkt.

    Politische Anerkennung der Leistung fehlt

    Aber: Viele Vereinsfunktionäre beklagen den geringen Stellenwert des organisierten Sports. Die Praxis, dass reflexartig stets Turnhallen als Notunterkünfte für Flüchtlinge herhalten müssen, darf nicht so bleiben, warnen sie oft nur hinter vorgehaltener Hand. Sportstätten müssten als das anerkannt werden, was sie sind: Soziale Tankstellen des Landes, in denen die Integrationsarbeit stattfindet. Wo begegnen sich sonst Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und Schichten leichter als übers Sporttreiben?
    Was an der Basis ebenfalls übel aufstößt: Den engen Draht, den Spitzenpolitiker gerne zum Spitzensport aufbauen, um sich im Erfolg zu sonnen. Bundeskanzler Olaf Scholz oder Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) reisten zu den deutschen Fußballerinnen nach England, als diese bei der EM auf einer Welle der Begeisterung surften. Scholz setzte sich beim DFB für die gleiche Bezahlung der Frauen ein, reiste dafür eigens nach Frankfurt. Aber für den Breitensport gehen die Türen nicht so schnell auf.

    Sportvereine gehen im Entlastungspaket leer aus

    DFB-Präsident Neuendorf hat als ehemaliger SPD-Staatssekretär des Landes Nordrhein-Westfalen noch gute Drähte in die Bundesregierung. Sein persönlich in Berlin vorgetragenes Anliegen, dem deutschen Sport finanziell unter die Arme zu greifen, verpuffte. Im dritten Entlastungspaket über 65 Milliarden Euro war kein Cent für die Sportvereine vorgesehen.
    Neuendorf zeigte sich enttäuscht, "dass Konzerne, Mittelstand und private Haushalte berücksichtigt werden", aber der gemeinwohl-orientierte Sport nicht. Würden jetzt wieder Schwimmbäder und Turnhallen geschlossen, formulierte Neuendorf noch vorsichtig, wäre das "nicht gut für die Gesellschaft insgesamt".
    Thema

    Mehr zur Energiekrise