Das Finale gegen Deutschland, im Wembley: Besser könnte diese Frauen-EM für das sportbegeisterte England nicht enden - die den Frauenfußball in neue Sphären katapultieren könnte.
Ein Meilenstein - nicht für den Frauenfußball. Denn das Endspiel wird wahrgenommen als Teil dieser großen Duelle mit dem Rivalen vom Kontinent.
Nach einer Europameisterschaft der Rekorde. Der Allzeit-Zuschauerrekord wurde mehr als verdoppelt. Millionenquoten im britischen TV, auch bei Spielen ohne englische Beteiligung. Oder 25.000 begeisterte Fans im Stadion beim Halbfinale Deutschland gegen Frankreich.
Frauenfußball boomt in England
Und im Endspiel dürfte gar ein Rekord der Männer fallen - mit 90.000 im Stadion als das bestbesuchte EM-Endspiel überhaupt.
Die Nörgler werden einwenden, dass man das natürlich noch lange nicht mit den Zahlen im Männersport gleichsetzen kann. Geschenkt, denn wer die Stimmung und die Medien in diesen Tagen der EM im Mutterland des Fußballs beobachtet, der sieht mehr als nur einen Aufwärtstrend.
Hier bewegt sich etwas grundsätzlich. Was den Frauenfußball in Richtung der Liga katapultieren könnte, wo sich bislang nur die Herren tummeln.
Zu Beginn stotterte der Motor der Lionesses etwas, aber nachdem sie gegen Schweden in Fahrt gekommen waren, gab es auf Feld und Rängen kein Halten mehr. Ein klarer 4:0-Sieg.
Der Geist von Sheffield
Einer dieser Wendepunkte. Dienstag, 26. Juli, kurz nach 22 Uhr. Sheffield. Die Fanmassen strömen aus dem Stadion, die englischen Löwinnen haben gerade die Schwedinnen verspeist, 4:0.
Euphorische Fans kommen auf unser Kamerateam zu, und eigentlich alle erklären ungefragt, wie großartig die Atmosphäre sei. Besser als bei Männerspielen. Geben gar die Herren der Schöpfung unumwunden zu. Meist Familienväter, ihre Kinder auf den Schultern tragend. Die sonst in Manchester, Leeds oder Newcastle ins Stadion strömen. Weil die ganze Aggressivität auf den Rängen nicht da sei, so die Erklärung. Die Fans sich auch nach den Spielen in den Armen liegen. Ein Fest für die ganze Familie.
Fußballerinnen schauspielern nicht
Was sicherlich auch vielen Sponsoren aufgefallen sein dürfte. Zudem sei das Niveau klasse, was einige überrascht zugeben. Es mache Spaß zuzuschauen.
Und, ganz wichtig in England, nach einem Foul stehen Europas Spielerinnen sofort wieder auf. Nicht wie bei den Jungs, was in den Fan-Diskussionen in Sheffield an diesem Abend mit einem Grinsen quittiert wird.
Das heimliche Traumfinale gegen Deutschland
So dürfte auch das Finale ein großes Volksfest der Fans werden. Nicht wie beim Herrenfinale an gleicher Stelle vor einem Jahr. Bei dem es zu Ausschreitungen rund ums Stadion und in der Stadt kam. Beim Finale heute mit 90.000 Zuschauern irgendwie undenkbar.
Dazu volle Pubs, Fanmeilen landauf, landab. All das, was ein großes Fußballturnier unvergesslich macht. Das Potenzial ist da. Was vor allem die englischen Spiele in der Endrunde bewiesen haben. Frauenfußball kann Massen elektrisieren. Es ist Stadt- und Landgespräch.
Wobei die Boulevardblätter in ihrer ausführlichen Berichterstattung sogar auf die bei Duellen mit Deutschland üblichen, hässlichen Historien-Vergleiche verzichten. Und viel mehr betonen, wie besonders es ist. Dass es geklappt hat mit dem heimlichen Traumfinale, auf das viele gehofft hatten.
England gegen Deutschland. Wembley. Eben ein Sommermärchen, auch wenn das Label schon etwas abgegriffen wirkt. Das einende, kollektive Trauma. Nur eins bleibt immer gleich: Wenn Fußball-England Richtung Erfolg marschiert, wird vor allem das mediale Euphorie-Gaspedal bis zum Anschlag und weiter durchgetreten. Dann kann es nur der Titel werden. Niederlage wird zum Fremdwort.
Weshalb dann der Sturz ins Elend oft so heftig ausfällt. Ein Sieg der DFB-Frauen, und Englands Frauen würden dann zumindest an dieser Stelle völlig gleichberechtigt neben dem Männerteam stehen: Seite an Seite als Nation, die immer wieder ganz knapp scheitert. Das kollektive englische Fußballtrauma, die größte Sorge vor dem Finale.