Fan-Randale in Marseille: "Phänomen, das immer da ist"

    Interview

    Forscher zu Marseille-Randalen:Fangewalt "ein Phänomen, das immer da ist"

    |

    Fanlager beschießen sich mit Pyroraketen und Böllern. Professor Sebastian Uhrich, der im Bereich Sportrivalität forscht, über mögliche Gründe der Randale in Marseille.

    Von Marseille-Fans abgeschossene Feuerwerkskörper entzünden sich über dem Fanblock der Frankfurter Fans
    Champions League, Dienstagabend in Marseille: Von Marseille-Fans abgeschossene Feuerwerkskörper entzünden sich über dem Fanblock der Frankfurter Fans
    Quelle: AP Photo/Daniel Cole

    ZDFheute: Wie kommt es zu Ausschreitungen wie in Marseille?
    Sebastian Uhrich: Der Fußball und auch viele anderen Zuschauersportarten bieten eine "gute Plattform" für Menschen, die Gewalt ausleben wollen, weil in diesem Kontext viele Dinge erlaubt und akzeptiert sind - beispielsweise das Beschmähen des Gegners und des Schiedsrichters.
    ZDFheute: Was können die Klubs tun?
    Uhrich: Kommunikation ist ein wichtiger Punkt. Hier gilt es, eine gute Gratwanderung zu gehen. Einerseits Rivalitäten nicht herunterspielen - also ernstnehmen, dass das den Fans wichtig ist. Auf der anderen Seite Gewalt und Aggressivität nicht zusätzlich anstacheln. Man muss aber auch wissen, dass es kleinere Gruppen an gewaltbereiten Leuten gibt, die man nur sehr schwer erreicht - und die sind ursächlich für das Problem.

    Fanrivalität-Forscher Sebastian Uhrich

    ... ist Universitätsprofessor für Sportbetriebswirtschaftslehre am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Deutschen Sporthochschule Köln und forscht unter anderem zu Rivalität im Sport.

    ZDFheute: Ist das ein Fußballproblem oder gibt es gewaltbereite Anhänger auch in anderen Sportarten?
    Uhrich: Es liegt nicht an der Sportart Fußball, sondern an der Tatsache, dass der Fußball bei uns so populär ist. Wenn wir beispielsweise in die Türkei oder Griechenland blicken, da gibt es im Basketball ähnliche Zustände.
    ZDFheute: Wer sind denn die Fans, die gewaltbereit sind?
    Uhrich: Das kann man nicht pauschal sagen, weil es schon bei den Ultragruppierungen in den Klubs losgeht. Bei diesen Gruppen sind die Grenzen sehr fließend. Teile kommunizieren mit dem Klub, Teile verschließen sich. Und unter Letzteren gibt es Netzwerke, die ins gewaltbereite Milieu reichen.
    ZDFheute: Was ist der Unterschied zwischen Ultras und Hooligans?
    Uhrich: Gegen Ultras ist erstmal gar nichts Negatives zu sagen. Die machen die Stimmung im Stadion. Wenn wir über Hooligans sprechen, meinen wir - ohne genau zu wissen, wer es ist - die Leute, die primär Gewalt auf dem Zettel haben. Die den Fußball, den Sport, als Plattform nutzen wollen, um Gewalttätigkeit auszuüben.
    ZDFheute: Hat die Gewaltbereitschaft im Fußball in den letzten Jahren zugenommen?
    Uhrich: Das glaube ich nicht. Es ist nur ein Phänomen, das leider immer noch da ist und nicht so richtig verschwindet. Gewaltbereite Leute werden immer den Sport suchen, um diese Dinge auszuleben.
    ZDFheute: Glauben Sie, dass Sanktionen wie Zuschauerausschluss einen Effekt haben, denn es werden ja vor allen Dingen die anderen Fans bestraft?
    Uhrich: Die Klubs haben ein Spannungsverhältnis. Wenn sie sehr drastisch vorgehen, dann werden sie auch gegen Fans vorgehen, die gar nicht die Übeltäter sind. Mit solchen Strafen versucht man die Klubs in Richtung eines noch konsequenteren Handels zu bewegen.
    Das Interview führte Franziska Müllers.
    Thema

    Mehr zum Thema Fußball