Fußball-Bundesliga: Wann gehen Fans zu weit?

    Debatte beim "Bolzplatz" :Wann gehen Fans zu weit?

    von Ralf Lorenzen
    04.10.2022 | 14:32
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    Was dürfen Fans? Diese Frage wird seit ihrer Rückkehr in die Stadien wieder verstärkt diskutiert. "Bolzplatz by Manu Thiele" lädt dafür zum offenen Schiri-Fan-Dialog ein.

    Ohne Fans im Stadion fehlt dem Fußball etwas. Sie sind emotional und kritisieren auch mal - oft werden aber Grenzen überschritten. Was dürfen Fans? Wann gehen sie zu weit?04.10.2022 | 14:59 min
    Am Dienstagabend hat Eintracht Frankfurt den englischen SpitzenklubTottenham Hotspur in der Champions League vor voller Hütte empfangen. Das war nach den Vorfällen beim Spiel in Marseille, wo es zu Ausschreitungen beider Fanlager kam, nicht selbstverständlich. Ein möglicher Zuschauerausschluss wurde zur Bewährung ausgesetzt.

    Neue Diskussion nach Fan-Randalen

    Dennoch haben die Ereignisse in Marseille und Nizza, wo es beim Spiel gegen den 1. FC Köln ebenfalls Ausschreitungen gab, dazu beigetragen, dass wieder über das Verhalten von Fans im Stadion diskutiert wird.

    Aufreger in Mönchengladbach

    Der bisherige Aufreger hierzulande war ein von Anhängern von Borussia Mönchengladbach im Spiel gegen RB Leipzig hochgehaltenes Transparent mit beleidigenden Aussagen gegen Gladbachs Ex-Sportchef Max Eberl, der zu RB Leipzig wechselt.
    Der Stadionsprecher ermahnte die Fans in der Kurve, das Plakat abzuhängen, da Schiedsrichter Patrick Ittrich das Spiel sonst unterbrechen werde. Die Fans folgten der Aufforderung.

    Diskussion mit Ittrich und Fan-Sprecher Kessen

    Die daraufhin einsetzende Diskussion über die Grenzen freier Meinungsäußerung von Fußballfans im Stadion führt Manu Thiele in der aktuellen Ausgabe von "Bolzplatz by Manu Thiele" mit zwei Gesprächspartnern weiter.
    Die beiden vertreten unterschiedliche Seiten: Schiedsrichter Ittrich und Thomas Kessen, Sprecher von "Unsere Kurve", mit 300.000 Mitgliedern die größte Fan-Vereinigung in Deutschland.

    Drei-Stufen-Plan soll vor Diskriminierungen schützen

    Was dürfen Fans, und wann gehen sie zu weit? Bevor diese Frage diskutiert wurde, musste erstmal der Hintergrund der Debatte geklärt werden. Während des Gladbach-Leipzig-Spiel hatte Ittrich sich nicht auf den sogenannten "Drei Stufen-Plan" berufen.
    Dieser wurde 2011 von der UEFA aufgestellt, um die Spieler vor Diskriminierungen und insbesondere rassistischen Diskriminierungen während des Spiels zu schützen.
    Wenn der Schiedsrichter solche Diskriminierungen wahrnimmt, kann er in drei Stufen das Spiel für eine Stadiondurchsage unterbrechen (Stufe 1), die Mannschaften für fünf bis zehn Minuten in die Kabine schicken (Stufe 2) oder als Ultima Ratio das Spiel abbrechen.

    Keine Anwendung des Plans bei Beleidigungen

    Seit 2020 wird der Drei-Stufen-Plan in Deutschland umgesetzt. In einer Präzisierung durch den DFB heißt es allerdings ausdrücklich, dass er "nicht bei Beleidigungen oder anderem grob unsportlichen (aber nicht diskriminierenden) Verhalten angewendet werden" soll.
    Im Gespräch mit Manu Thiele relativierte Ittrich seine nach dem Spiel gemachten Äußerungen. "Das Banner, das fast über die ganze Kurve hing, war für mich eine Grenzüberschreitung", sagt er. Die habe bei ihm das Gefühl ausgelöst, dass irgendetwas getan werden muss. Aber:

    Den Drei-Stufen-Plan wollte ich nie aktivieren.

    Patrick Ittrich, Schiedsrichter

    Kritik vom Fan-Sprecher

    Fan-Sprecher Tessen problematisierte das Verhalten dennoch, weil Ittrich hier seinen eigenen moralischen Maßstab für eine Entscheidung angelegt habe.

    Woher nimmt ein Schiedsrichter das Recht, in dieser Situation zu reagieren und in einer anderen nicht?

    Thomas Kessen, Fan-Sprecher

    Regulierungen in der Kurve würden schnell in die Richtung einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen. Ittrich beharrte darauf, dass es eine individuelle Entscheidung gewesen sei, mit der er auf die Masse der Beleidigungen reagiert habe.

    Meinungsfreiheit: Maßstäbe und Grenzen

    Das Gespräch macht deutlich, wie schwer die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und nicht mehr akzeptabler verbaler Gewalt zu ziehen ist - zumal die Protagonisten jeweils andere Maßstäbe anlegen.
    Bei aller Polarität: Herausgekommen ist ein Gespräch zwischen Schiri und Fan als gutes Beispiel für gelebte Fußballkultur. Dabei kamen auch weitere kontroverse Themen wie der Umgang mit Pyrotechnik zur Sprache.

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