Formel 1 in Deutschland: auf dem absteigenden Ast?
Schwindendes Interesse:F1 in Deutschland: Auf dem absteigenden Ast
von Karin Sturm
07.10.2022 | 07:27
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Weltweit boomt die Formel 1: ausverkaufte Rennen, steigende TV-Zahlen, neue Fangruppen. Aber in Deutschland sieht es eher umgekehrt aus, ob bei Fahrern, Firmen oder Fans.
Sebastian Vettel und Mick Schumacher
Quelle: Imago
Im Jahr 2010 waren sieben deutsche Fahrer in der Formel 1 unterwegs – ein absoluter Rekord für die selbsternannte Autonation Deutschland. Derzeit ist nicht einmal sicher, ob 2023 überhaupt noch einer dabei ist, sollte Mick Schumacher seinen Platz verlieren und Nico Hülkenberg nicht sein Nachfolger bei Haas wird. Kein Deutscher – das gab es zuletzt 1991 vor dem Einstieg von Michael Schumacher in Spa.
Kein hoffnungsvoller Nachwuchs für lange Zeit
Aber fast noch beängstigender: Es ist auch absolut kein deutscher Nachwuchs in Sicht, der in den nächsten Jahren den Einstieg in die Königsklasse schaffen könnten. Woran das liegt? Sicher zum großen Teil daran, dass durch die extrem gestiegenen Kosten in den Nachwuchsklassen viele Kinder und Jugendliche gar nicht mehr ernsthaft mit dem Rennsport beginnen, auch junge Talente oft früh aufgeben müssen – wenn sie nicht gerade aus Millionärsfamilien stammen.
12 bis 13 Millionen Euro insgesamt müsse man aufbringen, um auch nur in die Nähe der Formel 1 zu kommen, hat Ralf Schumacher kürzlich ausgerechnet, dessen Sohn David ja jetzt auch deshalb aus dem Formelsport in die DTM umgestiegen ist. Selbst eine Kart-Saison kostet heute schon mindesten 150.000 Euro, und da ist man noch nicht vorne mit dabei.
Ich glaube nicht, dass ich es unter den heutigen Bedingungen noch einmal schaffen könnte.
Sebastian Vettel
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Dazu kommt ein heute geringeres Interesse am Auto allgemein, vor allem in der jungen Generation in den Städten, aber auch keine so große Sogwirkung eines Idols mehr, wie es einst Michael Schumacher war.
Was auch ins Bild gehört: Es gibt keinen deutschen Grand Prix mehr – nach dem kurzen Einspringen des Nürburgrings wegen des improvisierten Corona-Kalenders 2020 unter besonderen Bedingungen, sprich, ohne hohe Kosten, weil die Formel 1 damals um jede Strecke froh war, auf der irgendwie gefahren werden konnte, war Ende und wird es wohl auf absehbare Zeit auch bleiben. Ohne großzügige staatliche Unterstützung oder wirklich finanzkräftige Sponsoren ist ein Rennen bei von Rechteinhaber Liberty geforderten Antrittsgeldern in deutlich zweistelliger Millionenhöhe nicht zu finanzieren. "Wenn die Rennstrecken allein gelassen werden, können sie das Budget nicht stemmen", sagt Ex-GP-Pilot Timo Glock.
Motorsport mit schlechtem Image
Der hat auch noch ein allgemeines Grundthema ausgemacht: "Das Problem ist, dass sich momentan kaum jemand mit Motorsport schmücken will, weil er als klimaschädlich und rückwärtsgewandt gilt. Das hat die komplette Basis zerstört." Dabei sei doch gerade im Moment eine Zeitenwende im Gange, die auch Chancen biete.
Ich finde, man sollte den Motorsport wieder als Forschungslabor und Beschleuniger für eine neue, nachhaltige Mobilität nutzen.
Timo Glock
Der Umstieg auf E-Fuels ab 2026 zeige doch, wie die Formel 1 in Zukunft eine Vorreiterrolle einnehmen wolle. "Der Motorsport sollte genutzt werden, um solche Themen – sei es E-Mobilität, nachhaltige Kraftstoffe, hocheffiziente Verbrennungsmotoren oder moderne Materialien – nach außen zu tragen. Damit hätte er gerade jetzt einen großen Wert für die deutschen Autobauer."
Änderung durch Audi-Einstieg?
Zumindest der VW-Konzern scheint das zu erkennen – der Einstieg 2026 mit dem eigenen Motor, die wahrscheinlich schon früher erfolgende Übernahme des Alfa-Sauber-Teams, das könnte der Formel 1 in Deutschland noch einmal einen Push bescheren, wenn Audi sich auch im Umfeld entsprechend engagiert. Das in England angesiedelte Mercedes-Team wird ja interessanterweise hierzulande kaum mehr als "deutsch" wahrgenommen. In Österreich identifiziert man sich da auffälligerweise sogar mehr mit dem Red-Bull-Team als in Deutschland mit den heutigen Silberpfeilen.