Ein für ein Weltmeisterteam katastrophaler Saisonstart, schnelle Besserung noch nicht wirklich in Sicht - was ist los bei Mercedes?
Ein ernüchternder Saisonstart, bisher keinerlei Siegchancen - schlimmer hätte es für Mercedes im ersten Jahr des neuen Formel-1-Reglements kaum kommen können. Nicht nur die Überlegenheit der vergangenen Jahre ist weg, man fährt sogar massiv hinterher.
Eigene Zuverlässigkeit sichert Punkte
Dabei sehen die Resultate auf dem Papier sogar noch besser aus als die Form der Silberpfeile in Wirklichkeit ist. Denn man profitiert vor allem von der eigenen Zuverlässigkeit, während sowohl Red Bull als auch Ferrari ja schon ab und zu Ausfälle oder zumindest Probleme hinnehmen mussten.
- Start-Ziel-Sieg für Verstappen in Imola
Max Verstappen gewinnt im Red Bull den Grand-Prix der Emilia Romagna in Imola - Ferrari erleidet im Heimrennen einen Dämpfer im WM-Kampf.
So kam zuletzt in Imola George Russell, der dabei auch von einem Traumstart profitierte, am Ende sogar auf Platz vier ins Ziel - und in der Teamwertung liegt Mercedes immerhin noch auf Platz drei. Aber selbst das kann ja den eigenen Ansprüchen nicht genügen - denn schließlich war der Teamweltmeister der letzten acht Jahre mit dem Anspruch in die neue Saison gegangen, diesen Titel zu verteidigen und auch den Fahrertitel für Lewis Hamilton zurückzuholen.
Jetzt muss man diese Hoffnungen schon vor dem fünften Saisonrennen am Wochenende in Miami fast aufgeben, so weit hinkt man Ferrari und Red Bull hinterher. Allerdings machen die Ergebnisse der freien Trainings am Freitag doch etwas Mut: Russell fuhr sehr überraschend auf Platz eins, Hamilton behauptete Platz vier. Allerdings schwächelte gleichzeitig die Konkurrenz: Ferrari-Pilot Carlos Sainz baute im zweiten Training einen Unfall, Weltmeister Max Verstappen wurde durch Technikprobleme an seinem Red Bull ausgebremst.
Grundproblem: das hüpfende Auto
Das Grundproblem von Mercedes ist, dass man das sogenannte "Porpoising", das Hüpfen der Autos, ein durch das neue Reglement bedingtes aerodynamisches Phänomen, einfach nicht in den Griff bekommt. "Wenn wir das abstellen könnten, würden wir viel mehr Performance im Auto freisetzen können“, meinte Teamchef Toto Wolff noch in Imola.
In Miami hat man nun einige neue Teile im Gepäck, die nun scheinbar Besserung bringen: "Wir haben seit dem letzten Rennen im Windkanal und in Simulationen weitere Erkenntnisse gefunden, um das Auto zu verbessern", so Wolff. "In Miami werden wir Experimente durchführen, um diese Simulationen auf der Strecke zu prüfen und hoffentlich den Entwicklungsweg für die kommenden Rennen zu bestätigen."
Russell von Beginn an stärker als Hamilton
Das scheint in der Hitze Floridas zumindest teilweise zu funktionieren, wenn auch nur stückchenweise. "Das Auto fühlt sich ähnlich an wie ohne die Updates. Aber: Stück für Stück gelingt es uns, es zu verbessern", sagte Hamilton nach den ersten Läufen. Denn auf Besserung hoffen auch die Fahrer, nicht allein des Erfolgs wegen. Denn durch die Hüpferei wirken so starke Kräfte, dass sich das auch körperlich bemerkbar macht:
Wobei aber auffällt, dass der Youngster in seinem ersten Mercedes-Jahr mit dem Auto immer noch besser zurecht kommt, als der siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton, den er bis jetzt immer wieder in den Schatten stellte. "Vielleicht liegt es daran, dass ich es aus meiner Williams-Zeit gewöhnt bin, schlechtere Autos zu fahren", sucht der 22-Jährige selbst eine Erklärung.
Experten wie Gerhard Berger oder Nico Rosberg sehen freilich auch ein mögliches Motivationsproblem bei Hamilton, wenn der von Anfang an wisse, "dass er unter normalen Umständen nicht einmal um Podiumsplätze fahren kann."
- Verstappen mit Start-Ziel-Sieg in Spanien
Ergebnisse, Wertungen, Rennkalender
Weltmeister Hamilton gesteht potenzielle Fehler
Aber warum tut sich ein Erfolgsteam wie Mercedes auf einmal so schwer? Theorien gibt es einige: Die doch zahlreichen personellen Abgänge der letzten Jahre würden sich eben doch irgendwann bemerkbar machen, mutmaßte etwa Red-Bull-Motorsportkoordinator Dr. Helmut Marko.
Früher konnte man außerdem das ein oder andere Defizit auch durch die überlegene Power des Mercedes-Antriebs ausgleichen. Aber die ist weg - die anderen haben aufgeschlossen, sind wie im Fall von Ferrari vielleicht sogar vorbeigezogen.
Dazu könnte kommen, dass man mit dem optisch revolutionären Konzept des 2022-er-Autos mit den fast nicht mehr vorhandenen Seitenkästen vielleicht doch von Grund auf daneben lag. Auch wenn Hamilton im Winter noch tönte:
Heute gibt er zu: "Vielleicht haben wir doch einen Fehler gemacht."