Nach einem tollen Saisonstart geht Ferrari mit WM-Spitzenreiter Charles Leclerc als Favorit ins Heimrennen in Imola. Für die italienischen Fans zählt nur ein Sieg.
Volles Haus, 120.000 Zuschauer, und zumindest 99 Prozent von ihnen nur mit einem Wunsch: einen Ferrari siegen sehen. Das ist das Szenario, dem sich die Scuderia an diesem Wochenende bei ihrem Heimrennen, dem Großen Preis von Emilia Romagna, in Imola gegenüber sieht. Keine 50 Kilometer ist das "Autodromo Dino e Enzo Ferrari" vom Ferrari-Firmensitz in Maranello entfernt. Die Erwartungen der Tifosi sind riesig.
Leclerc mausert sich zum WM-Favoriten
Erstmals seit Jahren hat Ferrari wieder ernsthafte Titelchancen. Vor allem dank Charles Leclerc, der einen fast perfekten Saisonstart erwischte: Der 24-jährige Monegasse holte zwei Siege, in Bahrain und Australien, einen zweiten Platz in Saudi-Arabien, drei Mal beste Rennrunde, zwei Pole-Positions in Sakhir und Melbourne.
Von 78 möglichen WM-Punkten hat er 71 eingesackt. Er liegt in der Fahrerwertung der Formel 1 34 Zähler vor seinem nächsten Verfolger George Russell im Mercedes. So groß war der Abstand zwischen den WM-Rivalen Verstappen und Hamilton während der ganzen Saison 2021 nicht. Und Weltmeister Verstappen fehlen nach seinem zweiten Ausfall sogar schon 46 Punkte auf Leclerc. In der Markenwertung liegt Ferrari 39 Punkte vor Dauer-Weltmeister Mercedes.
- Verstappen gewinnt in Monaco
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Woher die Ferrari-Stärke kommt
Speziell zuletzt in Australien zeigte sich, warum das Ferrari-Paket derzeit so stark ist. Das Auto ist unabhängig von der Asphalttemperatur und dem Reifentyp schnell, über eine Runde und über die Distanz. Dazu kommt eine extreme Zuverlässigkeit. Es gab bisher noch keinen einzigen technischen Ausfall. Dass Carlos Sainz, der gerade seinen Vertrag verlängert hat, in Melbourne schon in der zweiten Runde im Kiesbett steckte, war ein Fahrfehler. Dazu geht der Ferrari mit den Reifen schonender um als die Konkurrenz.
Und kein Hersteller hat in Sachen Motorleistung seit dem Vorjahr so extrem zugelegt wie die Roten. 20 PS Leistungsverlust sollte die Umstellung auf E10-Benzin bringen. Bei den Italienern merkt man nichts davon - im Gegenteil. Womöglich wurde da eine Strafe zum Vorteil: Nach dem Ärger um illegale Motor-Manipulationen 2019 verpflichtete die FIA Ferrari, an der Entwicklung von "E-Fuels" (CO2-neutrale Kraftstoffe) mitzuarbeiten.
Ferrari hat Schwächen im Griff
Ex-Formel-1-Pilot Timo Glock sieht jedenfalls beste Titel-Chancen für Leclerc: "Charles befindet sich derzeit im absoluten Höhenflug. Team-intern sind die Fronten schon recht früh klar geregelt. Leclerc ist WM-Führender, Carlos Sainz hat schon 38 Punkte Rückstand. Da ist das weitere Vorgehen bei den Italienern wohl klar."
Leclerc fühlt sich für zwei harte Jahre, in denen Ferrari sieglos blieb, belohnt: "Wir haben unsere Schwächen, die wir 2020 und 2021 noch hatten, Schritt für Schritt abgestellt. Ich habe jetzt ein Auto, das mich nicht mehr zwingt, spezielle Dinge zu tun, um mehr Speed rauszuholen."
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto tritt noch auf die Euphoriebremse, will zu großen Optimismus verhindern. "Wir denken noch nicht an die WM, denn es sind erst drei Rennen vorbei", versucht er zu hohe Erwartungen der Fans und italienischen Medien zu dämpfen. Die Leistungsdichte sei sehr hoch, deshalb "müssen wir es perfekt hinbekommen, damit es mit dem Sieg klappt. Das ist seit dem ersten Rennen in Bahrain so und wird auch in Imola so sein."
Zuletzt gewann Ferrari übrigens 2006 in Imola – damals saß Michael Schumacher am Steuer der "Roten Göttin".