Vor Achtelfinale: Frankreich in weltmeisterlichen Spuren

    Vor Achtelfinale gegen Polen:Frankreich in weltmeisterlichen Spuren

    von Frank Hellmann, Doha
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    Wenn Frankreich als Titelverteidiger weit kommen will, sind vor allem Kylian Mbappé und Antoine Griezmann gefragt. Ihre Harmonie ist vor dem Achtelfinale gegen Polen auffällig.

    Katar, Doha: Französische Fußballer Kylian Mbappe und Antoine Griezmann im Training.
    Harmonisches Offensivduo: Kylian Mbappé (l.) und Antoine Griezmann im Training in Doha.
    Quelle: Stephane Mahe/Reuters

    Eine ganze Weile schon hatte Didier Deschamps die Übungen im Flutlicht des Jassim-Bin-Hamad-Stadions mit verschränkten Armen verfolgt. Der Auftrag unter dem Nationaltrainer Frankreichs war ja recht simpel: langer Pass auf Kylian Mbappé oder Ousmane Dembélé auf den Flügel, Doppelpass, Sprint und Flanke, ehe dann Olivier Giroud oder Antoine Griezmann vollstrecken sollten.
    Obwohl keine Gegenspieler vorhanden waren, drosch Giroud einige Bälle unter dem Gelächter der Kollegen so hoch auf die Tribüne, dass ein Betreuer fast unters Dach der Heimstätte des von der Herrscherfamilie unterstützten Al-Sadd Sports Club klettern musste.

    Keine Personal-Geheimnisse bei Frankreich

    Aber als Griezmann irgendwann nach Mbappé-Flanke die Kugel kunstvoll in den Winkel schmetterte, rief auch der Deschamps erfreut: "Voilà!" So soll das funktionieren, wenn das WM-Achtelfinale zwischen Frankreich und Polen (Sonntag, 16 Uhr/ZDF) ansteht.
    Der mit dem Spitznamen "General" versehene Chefcoach macht kein Geheimnis mehr daraus, wer im K.-o.-Duell gegen Robert Lewandowski und Co. im Al-Thumama-Stadion stürmen wird. Die gesamte Trainingseinheit am Freitagabend war für Medien öffentlich: Sollen ruhig alle die Vorfreude bei der Équipe Tricolore sehen.

    Die alte Statik - durch den Ausfall von Benzema

    Die Niederlage gegen Tunesien (0:1) in der Gruppenphase mit einer B-Elf war bloß ein Ausrutscher - gegen Polen läuft wieder die A-Formation auf. Und die hat durch den WM-Ausfall von Karim Benzema wieder eine Statik bekommen, die verdächtig an den WM-Gewinn 2018 erinnert. Ganz vorne spielt nun wieder der inzwischen 36 Jahre alte Giroud eine klassische Nummer neun: macht Bälle fest, schafft Räume - und schießt Tore. Zwei beim Auftaktsieg gegen Australien (4:1).
    Dembélé gibt einen klassischen Rechtsaußen, bewegt sich und dribbelt oft an der Außenlinie, während Mbappé die Rolle über die linke Seite gänzlich anders interpretiert: mit nicht weniger Tempo, aber viel mehr Freiheiten und mehr Tiefgang Richtung Zentrum. Dass der 23-Jährige nicht mit derselben Intensität nach hinten arbeitet, nehmen ihm die Teamkollegen nicht übel. Griezmann erklärt:

    Wir verlangen von ihm nicht, dass er verteidigt, sondern dass er sich die Kraft für unsere Angriffe spart.

    Antoine Griezmann

    Der 31-Jährige lobte zudem den Weltstar für dessen Weiterentwicklung im Dress der "Les Bleus": "Er ist eine andere Persönlichkeit geworden, er spricht viel, er bringt viel Lebensfreude in die Gruppe", so Griezmann über Mbappé.

    Mbappé: Ein Anführer der leiseren Sorte

    Auch Deschamps hatte sich schon ähnlich geäußert.

    Kylian ist ein Leader. Auf seine Weise. Er ist nicht der Typ, der laute Kommandos gibt, aber er geht in dieser Mannschaft vorneweg.

    Didier Deschamps, Trainer

    Beim Training war Mbappé derjenige, der die meisten Späßchen einbaute. Ohne den gut aufgelegten Superstar, dem sie bei Paris St. Germain dank katarischer Unterstützung wahnwitzige Summen bezahlt haben, damit er nicht zu Real Madrid wechselt, wird die Titelverteidigung kaum gelingen.
    Mbappé hat in jedem zweiten seiner bisher 62 Länderspiele getroffen. Er ist der Unterschiedsspieler, dem Griezmann auch beim Arbeitssieg gegen Dänemark (2:1) für dessen Doppelpack servierte. "Ich verstehe sein Spiel immer besser und weiß, was er braucht, um Leistung zu bringen", sagte der Offensivallrounder von Atlético Madrid, der selbst schon in 113 Länderspielen 42 Tore erzielte.

    Offensivräume wohl nicht gegen Polen

    Beim WM-Achtelfinale 2018 führte Frankreich gegen Argentinien (4:3) mit den beiden in den Hauptrollen einen Offensivfußball in Perfektion auf. Neben Benjamin Pavard vom FC Bayern trafen damals Griezmann per Elfmeter und zweimal Mbappé, der seinen Gegenspielern auf und davon stürmte.
    Gegen Polen allerdings wird es in Doha nun kaum so viel Raum geben wie damals in Kasan: Trotz eines Robert Lewandowski hat sich Deschamps polnischer Trainerkollege Czesław Michniewicz angewöhnt, Beton anzurühren. Vielleicht haben Frankreichs Offensivstars deshalb den vielen Freiraum bei ihrer Trainingseinheit vorher noch mal so genossen.
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