Frauenfußball: Zuschauerboom im Stadion - was sind die Gründe?

Interview

Hohe Zuschauerzahlen im Stadion:Boom beim Frauenfußball: Was sind die Gründe?

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Immer öfter werden Frauenfußball-Spiele zu großen Zuschauer-Events, sogar in der vierten Liga. Was steckt dahinter? Das erklärt Marketing-Expertin Jessica Stommel im ZDF-Interview.

Frauen-Westfalenliga 2024/2025: FC Schalke 04 - Borussia Dortmund
Das Hinrundenspiel in der vierthöchsten Frauenfußball-Liga zwischen Schalke und Dortmund fand vor rund 3.000 Zuschauern statt.
Quelle: Imago

Kaum eine Sportart wächst so schnell wie der Frauenfußball. Das Halbfinale im DFB-Pokal zwischen dem HSV und Werder Bremen wollten 57.000 Zuschauer sehen. Auch das Spitzenspiel in der Westfalenliga zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 wird vor vollem Haus stattfinden, im Stadion Rote Erde sind das 10.000 Zuschauer. Es wird kostenlos vom Pay-TV-Sender Sky live (Sonntag, 15 Uhr) übertragen. Jessica Stommel, Head of Frauenfußball bei der Sportmarketingagentur Sportfive, erläutert die Gründe für diesen Boom.
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ZDFheute: Frau Stommel, hat es Sie überrascht, dass das Spiel des BVB gegen Schalke 04 so schnell ausverkauft war?
Jessica Stommel: Wir haben mit einer hohen Zuschauerzahl gerechnet, aber nicht damit, dass es so schnell ausverkauft sein wird. Wir haben gesagt: Wenn es ein Spiel schaffen kann, dann genau diese Konstellation - aufgrund der emotionalen Aufladung des Spiels, der Rivalität, der Vereinstraditionen. Dazu hat das Männerderby schon einige Jahre nicht mehr stattgefunden. Das ist das erste Frauenderby zwischen den beiden Vereinen überhaupt, das in Dortmund ausgetragen wird.
ZDFheute: Haben die Verantwortlichen im Nachhinein bedauert, das Spiel nicht in die ganz große Arena gelegt zu haben?
Stommel: Tatsächlich gab es die Frage schon, bevor man in den Vorverkauf mit der Roten Erde gegangen ist.

Es gab sogar eine Petition, die dazu aufgefordert hat, das Spiel ins große Stadion zu verlegen. Das zeigt, dass die Fans mehr wollen.

Aber man muss ehrlich sagen: Es ist ein Viertligaspiel. Für die Spielerinnen sind schon 10.000 Besucher eine mentale Herausforderung.

Jessica Stommel
Quelle: Imago

Head of Frauenfußball bei der Sportmarketingagentur Sportfive, die unter anderem Vermarktungspartner von Borussia Dortmund ist. Vorher arbeitete Stommel im Sportfive-Team Borussia Dortmund.

Sportlich geht es um den Aufstieg, aktuell trennt beide Vereine in der Westfalenliga nur ein Punkt und es wird nur einer aufsteigen. Beide Vereine haben große Ambitionen und investieren stark in das Thema Frauenfußball. Dann muss man einfach abwägen und sagen, dass die sportliche Leistung eine höhere Priorität hat.
ZDFheute: Beim Namen "Rote Erde" leuchten die Augen vieler Fußball-Fans immer noch. Was bedeutet das für Sie als Marketing-Expertin?
Stommel: Die Rote Erde hat diesen historischen Kern als früherer Spielort der Männer. Dort haben sie ihre ersten Meisterschaften gefeiert. Es ist ein rundum gutes Konzept, dass jetzt die Frauen dort ihre Heimspielstätte gefunden haben. Das jetzt zu überkommerzialisieren bringt in der Westfalenliga nicht viel. Es muss nachhaltig aufgebaut werden.
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ZDFheute: Vor ein paar Wochen war DFB-Pokal-Halbfinale zwischen dem HSV und Werder Bremen im Hamburger Volksparkstadion ausverkauft. Was wiegt bei diesen Zahlen schwerer: der Derby-Charakter oder die gestiegene Attraktivität des Frauenfußballs?
Stommel: Es ist eine Symbiose von beidem. Von der Strahlkraft des Derbys habe ich bereits gesprochen.

Frauenfußball ist eine der am schnellsten wachsenden Sportarten weltweit und auch in Deutschland.

Jessica Stommel, Sportmarketing-Expertin

Und: Er spricht eine neue Zielgruppe an, die wesentlich weiblicher und auch jünger ist.
ZDFheute: Spricht das dafür, noch mehr Spiele als große Events zu gestalten?
Stommel: Ich bin davon überzeugt, dass wir in Deutschland noch mutiger werden müssen. Wir stehen in engem Kontakt mit Arsenal London, die den Schritt gewagt haben und öfter ins Stadion gegangen sind. Sie haben einen höheren Zuschauerdurchschnitt als zehn Klubs in der Männer-Premier-League. Das haben sie mit einer neuen Zielgruppe geschafft, die vorher nicht im Stadion war.
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Der HSV hat bereits öffentlich angekündigt, im Fall eines Aufstiegs in die erste Liga alle Spiele im Volkspark auszutragen. Es ist dann keine Option zu sagen: Wir geben uns mit 2.000 Zuschauern zufrieden, Hauptsache wir sind im Volkspark. Der Klub will eine eigene Geschichte mit den Frauen schreiben.
Stommel: Diversere Zielgruppen bedeuten auch diversere Vermarktungspotenziale. Aber wir müssen es nachhaltig aufbauen und nicht einfach nur 1:1 ein Spieltagserlebnis wie im Männerfußball anbieten.
Das DFB-Pokalfinale der Frauen in Köln mit dem Family- und Friends-Fest wird ein gutes Beispiel dafür werden. Das bekommt ein anderes Flair, eine andere Atmosphäre und das müssen wir auch in die Vereine transportieren.
Das Interview führte Ralf Lorenzen.

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Quelle: Reuters

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