Nach der Geburt ihrer Kinder will Torhüterin Almuth Schult vom VfL Wolfsburg bald wieder Pflichtspiele bestreiten. Sie wäre die derzeit einzige Mutter in der Frauen-Bundesliga.
Einen direkten Draht zu Alex Morgan pflegt Almuth Schult nicht. Aber natürlich hat die deutsche Nationaltorhüterin mitbekommen, wie offensiv der US-Superstar mit seiner Doppelrolle als Mutter und Fußballerin umgegangen ist. Keine vier Monate nach der Geburt des ersten Kindes im Mai 2020 unterschrieb die Weltmeisterin einen Vertrag bei den Tottenham Hotspurs, ein halbes Jahr später debütierte die 31-Jährige auf der Insel.
Schult als Vorreiterin in Frauen-Bundesliga
Nun naht auch für die Torfrau des VfL Wolfsburg das Comeback – und eine Doppelrolle als Zwillingsmama und Berufssportlerin, die im deutschen Frauenfußball erstaunlicherweise alles andere als selbstverständlich ist.
In der Frauen-Bundesliga gibt es derzeit keine einzige Spielerin, die diesen Spagat unternimmt. Und das deutsche Frauen-Nationalteam hat in der Geschichte sogar nur ein einziges Beispiel hervorgebracht: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Als die 125-fache Nationalstürmerin 1994 ihre Tochter zur Welt gebracht hatte, "gab es noch keine Unterstützung", sagte Voss-Tecklenburg einmal und bezeichnete die damaligen Beschränkungen als belastend.
Rückkehr in Sport keine Selbstverständlichkeit
Grundsätzlich sollte es ja selbstverständlich sein, dass eine Berufssportlerin nach der Geburt von Kindern wieder zurückkehren kann. Ist es aber im deutschen Frauenfußball ganz und gar nicht: Nationalstürmerin Celia Sasic beendete 2015 ihre Karriere, um sich danach der Familienplanung zu widmen. Lira Alushi kam nach ihrer Schwangerschaft im selben Jahr nicht zurück.
- Der lange Weg zur Gleichberechtigung
Vor 50 Jahren fiel im DFB das Verbot des Frauenfußballs. Nach großen Erfolgen ist in Deutschland aktuell wieder viel zu tun.
"Ich sehe mich schon ein bisschen als Wegbereiterin", sagt Schult, denn es sei doch schade, "dass wir diese talentierten Spielerinnen im besten Alter verloren haben".
Almuth Schul: Zurück zwischen den Torpfosten
Die 29-Jährige will jetzt zeigen, dass beides geht: fürsorgliche Mutter sein und erfolgreich Fußball spielen. Vergangene Woche stand Schult nach 19 Monaten Pause erstmals im Testspiel gegen Eintracht Frankfurt (3:2) wieder zwischen den Pfosten. "Die letzten Prozent kommen erst mit den Spielen. Die nächste Stufe wäre das erste Pflichtspiel."
Equal Pay, auf jeden Fall - aber man müsse auch an Equal Play denken, sagt Frauen-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg im Interview mit Tibor Meingast - und appelliert auch an eine bessere Vermarktung des Frauenfußballs.
Das bislang letzte mit dem deutschen Nationalteam bestritt sie beim bitteren WM-Aus im Viertelfinale gegen Schweden im Sommer 2019. Danach folgte eine Operation an der lädierten Schulter. Die größere Herausforderung sollte sein, wieder das alte Fitnesslevel zu erlangen, denn: "Eine Schwangerschaft bringt den Körper komplett durcheinander."
Täglicher Spagat zwischen Familie und Sport
Behutsam tastete sich Schult übers erste Joggen acht Wochen nach der Geburt ihrer Kinder im April vergangenen Jahres wieder ans Mannschaftstraining des VfL Wolfsburg heran. Inzwischen hat sie sich in ihrem Haus Fitnessgeräte angeschafft, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Jeder Tag muss zwischen den beiden Rollen neu verhandelt werden.
Schult ist froh, für ihren Sport so viel Rückhalt in der Familie zu spüren. Auch das gibt ihr die Kraft und das Selbstvertrauen, zu sagen:
Und sie verhehlt nicht, dass die EM 2022 in England ein Fernziel ist. Dabei träumt sie vom Finale in Wembley: "Dort vor 90.000 Zuschauern bei einem EM-Finale spielen zu können, wäre ein sehr großes Ziel, ein großer Wunsch. Das würde ich sofort unterschreiben."
Ihre Rückkehr ins DFB-Team forciert Schult aber nicht offensiv. Eine Einladung zum Dreierturnier mit Belgien und Niederlande (21. und 24. Februar) erwartet sie nicht. "So weit bin ich wirklich nicht. Vor der Nationalmannschaft muss man mit Leistung überzeugen. Ich möchte keinen Freifahrtschein oder eine Sondererlaubnis, auch wenn ich mir über Jahre einen Stand erarbeitet habe."
Dreikampf um die Nummer eins im VfL-Tor
Zuerst will sich Schult den Stammplatz im Verein zurückerobern, wenn für den VfL Wolfsburg am 5. Februar die Rückrunde der Frauen-Bundesliga gegen Turbine Potsdam fortgesetzt wird.
VfL-Trainer Stephan Lerch hat gesagt, auf der Torwartposition würden in 2021 die Karten neu gemischt. Der Dreikampf mit Friederike Abt und der polnischen Nationaltorhüterin Katarzyna Kiedrzynek ist offen. "Ich will wieder spielen. Aber wenn ich es nicht sofort schaffe, werde ich es nicht als Niederlage sehen", sagt Schult.