Der Frauenfußball brachte in den 1970er Jahren neue Namen auf die Fußball-Landkarte. Nicht nur in den Städten - auch manches Dorf wurde erst durch seine Fußballerinnen bekannt.
Vor etwas mehr als 40 Jahren - am 23. Mai 1982 - rollte der Mannschaftsbus des FC Bayern München nach über 900 Kilometern Fahrt den Kiesweg zu einer kleinen Dorfschule kurz vor der dänischen Grenze hoch. Die Zwergschule mit drei Klassenräumen für neun Jahrgänge war schon seit ein paar Jahren geschlossen, auf dem dahinter liegenden Sportplatz war dafür um so mehr los.
Warten auf den Bayern-Bus
Dort warteten die Fans der Frauenmannschaft der SG Thumby auf das größte Sportereignis in der Geschichte des 500-Einwohner-Dorfes Schnarup-Thumby. Und zwar nicht auf ein zugelostes DFB-Pokalspiel der ersten Runde - sondern auf das Achtelfinale der Deutschen Meisterschaft. Für das hatte sich der kleine Verein als Meister der höchsten Spielklasse in Schleswig-Holstein qualifiziert.
Susanne Fritz, die damalige Torfrau der SG Thumby, erinnert sich:
Beim Anblick des zwischen Turnhalle, Pastorenwäldchen und Kuhweide eingeklemmten Platzes sagten die Bayern-Spielerinnen als erstes: "Da sind ja Kühe".
Tausende Pionierinnen
Quelle: imago
Angeblich soll der Frauenfußball langsam aus dem Schatten der Männer treten. Welcher Schatten?, fragt sich mancher, der als Junge in den 1970er Jahren auf einem Dorfplatz mit einigen der tausenden ungenannten Fußballpionierinnen wie Heinke, Heike, Susanne, Ellen, Beate und Ingelore aufgewachsen ist – und in deren Schatten stand.
Der FC Bayern München ist eine Ausnahme – in der Regel wurde der Frauenfußball in Deutschland in den ersten Jahrzehnten nach Aufhebung des Spielverbotes 1970 in kleinen Vereinen aufgebaut. Nicht nur auf dem Land, auch in den Städten brachten die Frauen neue Namen auf die Fußball-Landkarte.
Im Achtelfinale 1982 standen neben dem damaligen Serienmeister SV Bergisch-Gladbach 09 beispielsweise der SC Klinge-Seckach, der KBC Duisburg, Lorbeer Rothenburgsort (Hamburg), Eintracht Wolfsburg oder der BFC Meteor 06 (Berlin). Auch der TSV Siegen war schon dabei, der sich dann in den 1990er Jahren mit Grün-Weiß Brauweiler um die Vorherrschaft im Deutschen Frauenfußball stritt. Mit Silvia Neid, die von Klinge-Seckach nach Siegen wechselte und Martina Voss spielten gleich zwei spätere Bundestrainerinnen beim TSV Siegen. Bei Brauweiler war die spätere Bundestrainerin Tina Theune aktiv.
Mädchen und Jungen spielten zusammen
Im Männer-Fußball hatten sich Anfang der 1970er Jahre die Platzhirsche in Stadt und Land bereits herauskristallisiert. Die Frauen betraten Neuland, begünstigt durch den gesellschaftlichen Aufbruch und den Fußball-Boom durch die Männer-WM 1974. Auf den Dorfplätzen war es nachmittags selbstverständlich, dass Mädchen und Jungen zusammenspielten.
Wenn dann noch Kontinuität und hohes Engagement im Umfeld dazukommen entsteht ein Erfolgsrezept, das mehr oder weniger für alle Pionierinnen des Frauenfußballs gilt.
Bei der SG Thumby hielt es fast 25 Jahre, bis der alte Stamm abgetreten war, immer weniger junge Spielerinnen nachrückten und die Besten der Umgebung sich anders orientierten. Der Konzentrationsprozess, der dazu führt, dass an der Spitze heute die finanzstarken Profiklubs auch den Frauenfußball dominieren, findet sich auch im Kleinen wieder. Nach Versuchen, sich mit anderen Vereinen zusammenzuschließen, gibt es auf dem kleinen Platz der SG Thumby seit Jahren keinen Frauenfußball mehr.
Aber wenn am Freitag die deutsche Nationalmannschaft ihr erstes EM-Spiel gegen Dänemark absolviert, werden Erinnerungen an viele Freundschaftsspiele gegen schon damals sehr starke dänische Teams wach. Und an den Bayern-Bus vor der alten Schule, in dem einige damalige Nationalspielerinnen wie die vor kurzem verstorbene Cornelia Doll saßen.
0:12 stand es am Ende der Partie – wohl auch weil Susanne Fritz sich beim 0:6 im Hinspiel drei Tage vorher die Hand verletzt hatte und nicht ins Tor konnte. Ganz verzichten musste sie auf einen Einsatz allerdings nicht. "Ich durfte noch ein paar Minuten im Sturm mitspielen", sagt sie.