Die deutschen Fußballerinnen haben das schwierige Corona-Jahr 2020 durch ein 3:1 in Irland mit einer perfekten EM-Qualifikation abgeschlossen. Die Bundestrainerin ist zufrieden.
Ann-Kathrin Berger kam mit einem Lächeln vom Rasen. Im Tallaght Stadium von Dublin hatte die Debütantin im Tor der deutschen Frauen-Nationalmannschaft beim 3:1 gegen Irland aus alter Gewohnheit einige Anweisungen auf Englisch gegeben - schließlich spielt die vor drei Jahren von einer Krebserkrankung geheilten Torfrau der Chelsea Ladies seit fast fünf Jahren auf der Insel.
Aber das ließ sich ebenso verschmerzen wie das erste Gegentor in der EM-Qualifikation: ein Elfmetertor von Katie McCabe (45.).
Achter Sieg im achten EM-Qualifikationsspiel
Ansonsten erledigten ihre Vorderleute die letzte Pflichtaufgabe des Jahres souverän. Lina Magull (21., Foulelfmeter) und Tabea Waßmuth (29., 85) sicherten den achten Sieg im achten Qualifikationsspiel der DFB-Auswahl, die zudem mit 46:1 Toren überaus eindrucksvoll das Ticket für die EM 2022 in England löste. "Wir haben uns sicher, sauber und souverän qualifiziert", bilanzierte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.
Anders als die DFB-Männer haben die Frauen im Jahr 2020 ausnahmslos Siege eingefahren - zwei beim Algarve-Cup (1:0 gegen Schweden und 4:0 gegen Norwegen), sowie vier in der EM-Qualifikation (3:0 gegen Irland, 3:0 in Montenegro, 6:0 gegen Griechenland, 3:1 gegen Irland). Trotzdem tut sich Voss-Tecklenburg mit dem Fazit fürs Corona-Jahr schwer: "Wir haben nicht so viel gespielt, wie wir wollten."
Junge Spielerinnen brauchen mehr Vergleichsmöglichkeiten
Gerade die Absage des England-Länderspiels Ende Oktober wegen einer Infektion im englischen Funktionsteam schmerzt im Rückblick. Auch das Endspiel gegen Italien beim Algarve-Cup im März fiel dem Frühstadium der Pandemie zum Opfer. Dennoch hält die Bundestrainerin fest: "2020 ist sportlich kein verlorenes Jahr, es war ein herausforderndes Jahr auf anderen Ebenen, auf mentaler Ebene", sagte die 52-Jährige.
Gerade solch hoffnungsvolle talentierte Kräfte wie Klara Bühl oder Lea Schüller (FC Bayern), Lena Oberdorf (VfL Wolfsburg), neuerdings auch Sydney Lohmann (FC Bayern) oder die Bundesliga-Toptorschützin Laura Freigang (Eintracht Frankfurt) lechzen nach hochwertigen Vergleichsmöglichkeiten in der Nationalmannschaft.
Unberechenbarer sollen die DFB-Frauen bis zur EM 2022 werden. Das soll mit Spielerinnnen gelingen, "die von der Bank aus das Spiel besser machen", sagt Martina Voss-Tecklenburg.
Silvia Neid warnt vor zu vielen Experimenten
Die Bundestrainerin hat teilweise viel experimentiert, um die Belastung auch mit Rücksicht auf die Spitzenvereine FC Bayern und VfL Wolfsburg zu verteilen. Doch das Nationalteam steht im Frauenfußball in der öffentlichen Wahrnehmung weit über den Vereinen. Daher rät die langjährige Bundestrainerin Silvia Neid davon ab, in Länderspielen aus lauter Rücksichtnahme eine B-Besetzung aufs Feld zu schicken.
Grundsätzlich sieht die Leiterin des Scoutings für Frauen- und Mädchenfußball das aktuelle Team auf einem guten Weg. "Martina Voss-Tecklenburg hat tolle junge Spielerinnen, die beidfüßig ausgebildet sind, das Tempo und auch Mut mitbringen: Da müssen wir wirklich nicht klagen oder vor anderen Ländern Angst haben", so Neid.
Bundestrainerin vergibt Gesamtnote gut
Voss-Tecklenburg würde, wäre sie eine Klassenlehrerin, als Schulnote für 2020 "gut" ins Zeugnis schreiben. Doch bis von den Fortschritten eine größere Öffentlichkeit etwas mitbekommt, wird es dauern. Für die auf 2021 verschobenen Olympischen Spiele sind die DFB-Frauen nicht qualifiziert. Der Spagat besteht darin, die Spannung auf zwei Fernziele - die EM 2022 in England und auch die WM 2023 in Australien und Neuseeland - hochzuhalten.
Im Februar 2021 würden die deutschen Fußballerinnen gerne gegen einen Nachbarn testen, der grenznah ohne Flugreise erreichbar ist. Dänemark, Niederlande, Belgien oder die Schweiz bieten sich da an. Für den April steht ein Länderspiel gegen Norwegen in Aussicht und im Juni soll endlich die USA-Reise nachgeholt werden. Voss-Tecklenburg: "Es ist wichtig, dass wir uns mit den Besten der Welt messen. Wir sind überzeugt, dass diese Mannschaft noch lange nicht an ihrem Leistungspotenzial angekommen ist. Wir haben aber auch noch ein bisschen Zeit."